Monate: Januar 2016

ALTE LIEBE ROSTET

Rat Cars – zerstörst du schon oder polierst du noch? Wenn es um des Deutschen liebstes Kind, das Auto, geht, kann es ja bekanntlich meistens nicht neu, modern oder extravagant genug sein: Glänzender Lack, polierte Felgen und möglichst viele Pferde unter der Haube machen das Auto für viele Menschen zum Statussymbol. Es gibt allerdings einen ganz besonderen Trend, der mit diesem ganzen Gehabe nichts zu tun haben möchte – Stichwort „Rat Cars“. So heißen die maroden Fahrzeuge, bei denen vor allem eins zählt: Rost. Der ursprünglich aus den USA stammende Style ist mittlerweile auch in Veitshöchheim angekommen. Wir haben uns mit einem Rat Car-Liebhaber aus der Gegend unterhalten, der uns in die Welt der hippen Schrottkisten entführte. Demolition Man Ein Bobby-Car steht auf dem Dach, Kronkorken schmücken den Innenraum und ein alter Teddybär ist an der Stoßstange befestigt: Beim Auto von Jack Heintges weiß man nicht, wohin man zuerst schauen soll. Die Einzigartigkeit seines Gefährts basiert mehr oder minder auf Destruktion – Glanz und Lack sind nicht gefragt. Vielmehr beruht das, was sein Kunstwerk von „normalen“ …

WAS HABEN SIE ZU IHRER VERTEIDIGUNG ZU SAGEN?

Wie können Sie es eigentlich mit Ihrem Gewissen vereinbaren, einen Schuldigen zu verteidigen? Martin Reitmaier und Peter Möckesch sind Rechtsanwälte und Fach-anwälte für Strafrecht. Zusammen mit weiteren Kollegen betreiben sie die Kanzlei REITMAIER Rechtsanwälte am Oberen Markt im ZARA-Haus. Tagtäglich verteidigen sie Menschen vor den Strafgerichten. Die beiden Anwälte haben uns einen exklusiven Einblick in ihre Tätigkeit gegeben. Wie ist es, einen Menschen zu verteidigen, von dem man weiß, dass er schuldig ist? Diese Frage kennen wir natürlich nur zu gut. Oft werden wir in diesem Zusammenhang auch gefragt, wie man beispielsweise einen Kinderschänder verteidigen kann. Wir nennen das die „Cocktail-Frage“, weil sie uns auf so gut wie allen gesellschaftlichen Anlässen gestellt wird, sobald wir erwähnen, dass wir Strafverteidiger sind. Zunächst ist hier festzuhalten, dass dem Ganzen häufig ein Missverständnis zugrunde liegt: Wenn wir das Mandat am Anfang eines Ermittlungsverfahrens übernehmen, wissen wir oft nicht, ob es sich bei dem Mandanten wirklich um einen „Kinderschänder“ handelt. Meist steht am Anfang des Ermittlungsverfahrens nur ein mehr oder weniger vager Anfangsverdacht. Man muss also differenzieren. Auf der …

SAVE THE UNITED STATES

Ich beneide meine Tante aus Würzburg ja nicht gerade um vieles. Vor allem nicht um meinen Onkel. Doch als sie mir kürzlich erzählte, dass sie 1963 per Transatlantikdampfer nach Amerika übersetzte, war neben meiner aufrichtigen Missgunst auch mein Interesse geweckt. Insbesondere, da es sich dabei nicht um irgendeinen Kutter handelte, sondern um das bis heute schnellste Passagierschiff der Welt: die SS United States. Heute verrostet Amerikas einstiges Flaggschiff in einem Hafenbecken in Philadelphia – und hat dabei überraschend viel mit seinem Namensgeber gemein … Der frisch sanierte Häuserblock wirkt leicht deplatziert inmitten des verwahrlosten Straßenzugs. „They call it Promise Zones“, klärt mich der Taxifahrer auf. Zu einem dieser bislang fünf „Hoffnungsviertel“ der USA hat Präsident Obama jüngst Teile Philadelphias erklärt. In Hemdsärmeln. Mit gezielten Steuererleichterungen sollen Unternehmen in besonders strukturschwache Gegenden gelockt und Wohnungen mittels weitgehend unbürokratisch abrufbarer Fördergelder im Schnelldurchlauf saniert werden. Die Mieter zahlen nur soviel sie können – im Gegenzug übernehmen sie Verantwortung. Sozialer Wohnungsbau in den USA? Der Taxifahrer winkt ab. Das wäre ungefähr so, meint er, als würde man etwas …

WÜRZBURG. EINE LIEBESERKLÄRUNG.

Johanna ist gebürtige Würzburgerin und lebt seit 2008 in Berlin. Doch für diesen Sommer zog es sie zurück in ihre Heimatstadt. Warum – das schreibt sie hier. Jedes Mal, wenn ich im Zug sitze und die Ansage höre „In wenigen Minuten erreichen wir den Bahnhof Würzburg“, stehe ich ganz schnell auf. Dann klemme ich mir meinen total hippen Berliner Jutebeutel unter die Arme, den ich schon vor zig Jahren als neue Schultasche ins Grünewald-Gymnasium ausführte – sehr zum Leidwesen meiner Mutter. Damals stand noch HaWeGe drauf – nein, keine Hipster-Abkürzung, sondern der Name eines Supermarkts, heute besser bekannt als tegut. Dann hieve ich den schweren Koffer in den Flur. Da kann man nämlich besser aus dem Fenster schauen, während der Zug einfährt in die Stadt. Jedes Mal liebe ich das. Wenn die kleinen Häuser nach und nach auftauchen, wenn die Weinberge in der Abendsonne leuchten. Und jedes Mal kriege ich Gänsehaut. Auch noch nach sieben Jahren. Endlich steige ich aus dem Zug und laufe vorbei an den netten Beamten in grün durch diesen fürchterlichen, hässlichen …

POLARISIEREND

Der junge Mann hier ist 32 Jahre alt, hat Soziale Arbeit studiert, seine Abschlussarbeit über Sprayen und Jugendarbeit geschrieben und nennt sich selbst nur POLAR. Wir treffen ihn an der großen Brücke der Zeppelinstraße, der Hall of Fame, wie er sie liebevoll nennt. Vor uns steht ein Kerl, der so gar nichts mit Jugendlichen zu tun hat, die sich in Hinterhöfen durch schnelle Schmierereien einen Adrenalinkick verschaffen. Vielmehr erkennen wir schon die Ernsthaftigkeit seiner Berufung, als er die Maske aufsetzt und fürs Foto die Farbdose schwenkt. „Sprüher sind verrückte Charaktere“, sagt er mit einem Lächeln im Gesicht, als er die Maske wieder abnimmt. Graffiti – das ist für ihn kein x-beliebiges Hobby, sondern vielmehr Lifestyle. POLAR ist Sprayer durch und durch, von Kopf bis Fuß – ebenso wie sein kompletter Freundeskreis. Im zarten Alter von 18 hielt er zum ersten Mal eine Dose in der Hand, damals war er noch stark in der Hip-Hop- und Skaterszene verwurzelt. Heute arbeitet der 32-Jährige in Würzburg als Sozialarbeiter und bezeichnet sich selbst als Schönwettermaler, der lieber bei Plustemperaturen …

MAX MUNDUS MUNDET!

Max Mundus ist das Männerparadies schlechthin – betritt man den neuen und einzigartigen Bier-laden in der Domerschulstraße, könnte sich dieser Verdacht schnell aufdrängen. Doch weit gefehlt: Die beiden Bierexperten Nico und Max wissen auch Frauen von ihrem außergewöhnlichen Craft Beer-Sortiment zu überzeugen. Davon zeugt bereits dessen beeindruckende Vielfalt, die von India Pale Ales über Starkbiere, Sauerbiere, Fruchtbiere, Stouts, Porter, Brown Ales und Bockbiere bis hin zu vielen weiteren in Deutschland noch eher unbekannten Biersorten reicht. Doch was genau ist Craft Beer? „Der Ursprung des Trends liegt in Amerika, wo es schlicht kein gutes Bier gab“, erklärt Nico. Deswegen hätten sich Bierliebhaber kurzerhand entschieden, ihr eigenes Bier handwerklich nach ihrem Geschmack zu brauen. Dies habe wiederum Wege zu neuen Kreationen und Variationen eröffnet. Nicht zuletzt aber verdanke man den besonderen Geschmack der Hingabe und Passion des Brauers. Kurz gesagt: Craft Beer ist kunsthandwerklich gebrautes Bier. „Der Bier-Trend erwacht langsam wieder aus seinem Dornröschenschlaf, denn plötzlich bietet das Bier auch all jene Möglichkeiten, die man bislang nur vom Wein kennt“, veranschaulicht der Biersommelier Max. „Bier ist auch …

DONUT TRÄUME WERDEN WAHR

Würzburg ist wieder um eine Besonderheit reicher: Mit Donut Dreams in der Theaterstraße hat der erste Laden nur für Donuts – und deren Liebhaber natürlich – seine Türen geöffnet! Bei Donut Dreams gibt‘s jeden Tag frisch gebackene, handgemachte Donuts. Besonders beliebt bei den Würzburgern: der „New York Cheese Cake“-Donut, der „3-Choc“-Donut und natürlich der „Oreo“-Donut. Mit einer täglich frischen Auswahl an gefüllten und ungefüllten Donuts hat Donut Dreams bereits das Herz so manch eines Würzburgers erobert. Wer diesen kleinen, gemütlich eingerichteten Laden betritt, dessen Maskottchen Doni und Dreamy die Wände zieren, würde niemals ahnen, dass der Business-Plan für das Geschäft von einem 16-Jährigen stammt. Lucas hat sich mithilfe seiner Eltern seinen größten Wunsch erfüllt und den ersten Donut-Laden in Würzburg eröffnet. „Ohne Donuts ist Würzburg langweilig“, sagt der 16-Jährige. Obwohl die Eltern der Idee anfangs mit Ablehnung und Skepsis begegneten, konnte Lucas sie mit seinem Business-Plan überzeugen. Er organisierte einen professionellen Donut-Bäcker, startete Umfragen und Analysen – und präsentierte ihnen anschließend seine Ergebnisse. „Eltern können nicht immer „Nein“ sagen, schließlich sollten Kinder so erzogen werden, …

WEIHNACHTEN – FRIEDVOLLES DYNAMIT

ALLE JAHRE WIEDER … BIRGT GERADE WEIHNACHTEN JEDE MENGE SOZIALEN SPRENGSTOFF. WIE MAN IHN ZUVERLÄSSIG ENTSCHÄRFT, ERKLÄRT UNS LORENZ WOHANKA IM INTERVIEW. ALS EXPERTE FÜR DAS VERHALTEN UND ERLEBEN VON MENSCHEN TREIBT DEN DIPLOM-PSYCHOLOGEN DIE STETE NEUGIERDE AUF SEINE LIEBEN NACHBARN, IHRE GEDANKEN UND HANDLUNGEN AN.   Weihnachten steht vor der Tür. Das Fest der Liebe ist nicht nur Anlass zur religiösen oder familiären Freude und zu unbeschwerten Feiern, sondern bietet auch reichlich Konfliktstoff und Raum für Einsamkeit, Trauer und sogar Gewalt. Woran liegt das EIGENTLICH? Kaum ein Fest ist so mit Erwartungen überhäuft wie Weihnachten. Während des ganzen Jahres können sich Menschen guten Gewissens aus dem Weg gehen und sind so nicht gezwungen, konträre Lebensweisen, Ansichten und Gefühle auszuhalten. An Weihnachten kommen nun plötzlich Menschen aus ganz unterschiedlichen Lebenssituationen zusammen, die zudem oft nicht mehr gewohnt sind, in sehr engem Kontakt zu stehen. Die ultimative Forderung des Festes ist Frieden unter Menschen und ein gedeihliches, liebevolles Miteinander. Viele halten diese Forderung nicht aus, weil sie den Rest des Jahres doch eher wenig gemeinsame Liebe …

MIT ZWEI WOLLDECKEN IM KELLER

IN DIE KURZZEITÜBERNACHTUNG KOMMEN AUCH MÄNNER NACH AKUTEM WOHNUNGSVERLUST. Erwin Dietrich kann heute Abend endlich wieder in einem
 Bett schlafen. In einem richtigen Bett. Mit Matratze. Bettdecke. Kopfkissen. In den vergangenen Nächten hatte er mit zwei Wolldecken vorlieb nehmen müssen. „Ich schlief in einem Keller“, sagt der 67-Jährige, der völlig mitgenommen aussieht. Seine Wangen sind eingefallen. Die Haut ist aschfahl. Er ist klapperdürr. Hat lange nichts Warmes mehr gegessen. Die Polizei hatte ihn in dem Keller aufgestöbert. Und zur Christophorus-Gesellschaft gebracht. Mit Geduld lässt Erwin Dietrich in der Kurzzeitübernachtung (KZÜ) alles über sich ergehen. Er beantwortet Fragen. Lässt sich einweisen. Man zeigt ihm sein Bett. Er erhält ein Handtuch. Darf sich duschen. In ihm selbst ist noch ein großes Durcheinander. Alles kommt ihm noch immer wie ein Albtraum vor. Die vielen Nächte im kalten Keller. Mit nur ganz wenig Nahrung. Nie war Erwin Dietrich vorher mit wohnungslosen Menschen in Kontakt gekommen. Den Namen „Christophorus-Gesellschaft“ hatte er zwar irgendwann schon mal gelesen. Aber nicht abgespeichert. Bisher war sein Dasein halbwegs in Ordnung gewesen. Er lebte vier …

GUATE SACHE

Nachhaltig und fair produzierte Modeaccessoires aus Guatemala. Organische Materialien, faire Produktionsbedingungen – es ist möglich, mit Mode-Accessoires die Welt zu verändern. Davon sind die 25 Frauen aus San Juan Laguna in Guatemala, die sich mit Tatjana aus Würzburg zu einer Gruppe zusammengeschlossen haben, fest überzeugt. Die Frauen aus San Juan La Laguna erlernten bereits im Kindesalter das Färben mit Pflanzen und Naturprodukten sowie die Kunst des Webens von ihren Müttern. Nun haben sie in gemeinsamer Arbeit tolle neue Designs entwickelt, mit denen sie ein weltweites Publikum für ihre organischen und bunten Stoffe begeistern wollen. Doch das allein ist nicht genug, um ein deutliches Zeichen in puncto Nachhaltigkeit zu setzen. Daher wurde zusätzlich ein neues Geschäftsmodell entwickelt, das den Frauen unter anderem er-möglicht, von zu Hause aus zu arbeiten – ein sehr wichtiger Gesichtspunkt, zumal sie in vielen Fällen allein für den Haushalt, die Kinder und das Einkommen verantwortlich sind. Die frisch gegründete Firma zahlt zunächst 25 Frauen ein faires Gehalt und unterstützt damit deren Familien. Darüber hinaus wird eine Stiftung gegründet, die für das Schulgeld …