ARBEIT & VERGNÜGEN, NACHBARN, SEHEN

Wenn der Berch ruft

Nicola Thomas, auch Nicki genannt, hat es von Würzburg nach Erlangen gezogen. Wegen des Studiums natürlich. Was sie genau macht, und vor allem warum, erzählt sie Euch nachfolgend selbst …

Würzburg, meine Heimat, meine Liebe und der Mittelpunkt meines Bachelorstudiums in Philosophie, Religion und Germanistik. Nach einer kurzen Panik, mein Herr Papa könnte Recht haben – und ich mit diesen „brotlosen Künsten“ auf der Straße landen, entschied ich mich: Das kann noch nicht alles sein, ein Master muss her. Am besten mit Praxisbezug, aber trotzdem mit Muse für mein geisteswissenschaftliches Gemüt. Und bitte nicht zu weit weg von Main, Wein und Freunden. Und ohne Mathe. So lockten sie mich von Würzburg weg nach Erlangen – schöne Stadt, ein Mango-Laden, Bergkirchweih, Bier – zum Master Medien-Ethik-Religion. „Irgendwas mit Medien“ also. Nun im Ernst. Nach wie vor werde ich schräg angeschaut, wenn ich sage, was ich studiere. Keiner kann sich etwas darunter vorstellen, doch eigentlich betrifft es uns alle jeden Tag, jede Stunde und auch gerade jetzt in diesem Moment.

Nicht nur „irgendwas mit Medien“

TV, Netflix und Co., Facebook, Instagram, WhatsApp, Zeitschriften wie „Liebe Nachbarn“ – alles Medien, die uns unterhalten, informieren, beeinflussen oder gar lenken. Sie bestimmen unseren Lebensinhalt – und unser Leben bestimmt den ihren. Angeblich sind die Medien die vierte Gewalt in Deutschland. Gerade die öffentlich-rechtlichen Programme folgen dem gesetzlich geregelten Programmauftrag. Das bedeutet: Sie haben die Pflicht, neutral, informativ und flächendeckend zu arbeiten. Doch tun sie das wirklich? Keine Nachrichtensendung schafft es heutzutage ohne Kriegsbilder, keine Unterhaltungsshow ohne Nacktheit oder dreckige Witze auf Kosten anderer. Reine Pflicht zur Information und Unterhaltung – oder doch konsumorientierte Perversion?

Genau hier setzt die Disziplin der Medienethik an. Medienmacher brauchen Spielregeln, Mediennutzer eine kritische Haltung dem gegenüber, was sie vorgesetzt bekommen. Wie viel Tod verträgt der Zuschauer? Wie viel Terror und Gewalt? Wie viel Sex? Wie viel Dummheit? Wir haben die Grenzen schon längst überschritten, denn egal wann wir einschalten, den oben genannten Themen begegnen wir tagtäglich in TV, Radio, im Print und im Netz. Und dann noch dieses Internet. Privatsphäre ade. Ich poste, also bin ich? Wo liegt hier die Schmerzgrenze der Selbstinszenierung? Wann rächt sich das Ganze?

Wir Studierenden des Masters Medien-Ethik-Religion kommen aus den verschiedensten Fachrichtungen: Management, Sozialpädagogik, Theologie, Kommunikationswissenschaft, Politikwissenschaft, Philosophie … Wir sind angehende Journalisten, Medienschaffende, PR-Leute oder Freidenker. Das bedeutet, dass wir das, was in den Medien geschieht, nicht verteufeln – im Gegenteil: Wir wollen nicht die Moralkeule schwingen. Im Master verbinden wir unsere praktische Ausbildung mit wissenschaftlicher Reflexion über die Medien. In unseren praxisorientierten Seminaren lernen wir die Grundlagen von Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit: Wir texten für Online und Print, filmen, machen Radiobeiträge. In den Fächern zur Medienethik lernen wir dann, über das Ganze nachzudenken und werden mit Handlungsnormen konfrontiert.

Es geht darum, die Qualität der Medien zu wahren. Dass Qualität aber nichts mit dem erhobenen Zeigefinger, sondern auch mit Spaß und Freiheit zu tun hat, ist uns durchaus bewusst. Zum Uni-Trott kommen noch Pflichtpraktika. Hierfür tobte ich mich im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und in der Lokalredaktion der Main-Post aus. Beides tolle Erfahrungen, bei denen ich viel lernen konnte.

Und was ist nun mit dieser „Religion“? 

Den ganzen Spaß kann man zum Beispiel mit dem Schwerpunkt „Islam und Medien“ studieren – das mache ich. Warum? Der Blick in die Zeitung oder ins Internet verrät es: Maybrit Illner und Co. diskutieren immer noch über die drohende „Islamisierung Deutschlands“, PEGIDA und AfD schaffen es weiterhin auf die Titelseiten. Und dann noch „diese Flüchtlinge“, die uns angeblich alles Mögliche wegnehmen und antun. Die Medienlandschaft ist voll von unangebrachten, verfälschten „Berichten“ über den Islam, Geflüchtete, Menschen mit Migrationshintergrund. Es wird Zeit, dass hier mal jemand aufräumt – und vor allem aufklärt.

Genau da sehe ich meine Zukunft. Migration und Integration werden noch zwei länger andauernde Themen in Deutschland bleiben. Deshalb will ich in die Öffentlichkeitsarbeit der Flüchtlingshilfe oder in den Fachjournalismus. Aber auch jede gute Redaktion kann einen Journalisten vertragen, der ein Feingefühl für das Thema Flüchtlinge und Islam hat. Momentan bin ich ganz zuversichtlich, dass ich keine Taxifahrerin werde. Denn „irgendwas mit Medien“ ist gar nicht so banal und brotlos, wie man denkt.

Text: Nicola Thomas; Fotos: Cosima Benker