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Berühmt & berüchtigt / Das Studio schreibt 15 Jahre Clubgeschichte

Ich weiß noch genau, wie es war – mein erstes Mal mit dem Studio. Ich war gerade 18 und wir schrieben das Jahr 2006. Schon damals schallte die Mundpropaganda über den Club lauter als die Musik auf der Tanzfläche: Man kam angeblich als Gentleman nur mit Anzughose rein und als Lady mit High Heels. Eigentlich gar nicht mein Ding, denn ich trug Turnschuhe mit Klettverschlüssen an den Füßen und wilde Locken auf dem Kopf. Und hatte Schiss, nicht schick genug zu sein.

Trotzdem reizte mich irgendwas an dem Laden. Deshalb sagte ich zu, einen Artikel zu schreiben über einen Abend mit DJ Richard Dorfmeister. Außerdem liebte ich die Kruder & Dorfmeister Sessions. Vor der Tür gab es damals noch keine Schlange bis hinüber zur Kirche, in stilvollem Ambiente wurde geraucht und die Lounge war in schwarzes Leder getaucht. Trotz der vielen High Heels wurde mein erster Abend großartig. Aber nicht allein wegen der Musik. Es war eher ein Eintauchen in ein Gefühl, das man eine Nacht lang auskostet.

Wie alles begann
Vielleicht liegt dieses besondere Gefühl an diesem Ort verankert, denn in der Hausnummer 7 der Haugerpfarrgasse haben tanzende Füße Tradition: Das Gebäude ist mit einer langen Clubgeschichte verbunden, zuletzt öffnete hier das High Five seine Pforten für die Würzburger Nachteulen, bis im Jahr 2002 ein Besitzerwechsel anstand: Diskotheken-Legende Rudi Schmidt nahm den Laden unter seine Obhut und übertrug dem damals 29-jährigen Christian Reitlinger die Geschäftsführung. Die beiden verbindet eine lange Zusammenarbeit, denn Reitlinger hatte bereits mit 18 im Airport hinter der Theke die Drinks jongliert und als gerade mal 20-Jähriger die Geschäftsführung dort übernommen. 2002 kam er soeben wieder frisch aus Nürnberg, wo er das Mach 1 geleitet hatte. Zurück in Würzburg hieß es aber erstmal anpacken: Der alte, mit Vollholz verkleidete Club sollte entkernt und in eine edle Boutique verwandelt werden. Ziel war es, einem Publikum ab 20 eine gediegene Mischung aus Lounge und Diskothek zu bieten. So etwas gab es zu diesem Zeitpunkt in der Würzburger Nachtlandschaft noch nicht. Und das Konzept hatte Erfolg – denn nur durch Mundpropaganda versammelte sich bei der Eröffnung ein neugieriges Publikum vor der Tür. Geöffnet wurde damals übrigens schon um 20 Uhr – schließlich gab es in Würzburg noch eine Sperrstunde, die eingehalten werden wollte.

Treue Stammgäste und harte Kritiker
Diesen Herbst ist das Studio 15 Jahre alt geworden, inzwischen habe ich zehn Jahre in Berlin gelebt und kehre zu seinem Geburtstag ins Studio zurück. Mittlerweile trage ich hohe Schuhe und die meisten um mich herum schicke Sneakers. Sogar Chucks sieht man übers Parkett flanieren. Falls man den Durchblick behält, denn es ist viel voller als noch vor zehn Jahren – und das, obwohl vor der Tür noch immer Menschen darauf drängen, eingelassen zu werden. Geraucht wird natürlich nicht mehr und die Lounge erstrahlt jetzt in edlem Weiß. Doch eines ist definitiv gleichgeblieben: die Gerüchteküche. Von harten Kritikern über treue Stammgäste und schwärmende Neulinge ist hier alles dabei: „Wir schätzen das Studio wegen der angenehmen Atmosphäre, hier gibt es nie Stress“, hört man von den einen. Und von den anderen: „Hier geht’s nur ums Sehen und Gesehenwerden.“ Oder: „Die Leute machen hier auf Münchner High Society und fühlen sich, als seien sie etwas Besseres.“ Und was sagt eine echte Münchnerin dazu? „Wenn man in Würzburg ein bisschen München findet, dann hier.“ Manch ein Würzburger dagegen sieht das ganz und gar nicht so: „Nur Bauern vom Land gehen ins Studio, die machen sich schick, buchen die VIP-Lounge und fühlen sich dann toll.“ Vermutlich gibt es kaum einen Laden in Würzburg, über den die Meinungen so auseinandergehen. Doch zumindest in einer Sache sind sich viele weibliche Gäste einig – angeblich soll es hier die nettesten Männer Würzburgs geben: „Wir lieben das Studio, weil man hier am besten interessante Männer kennenlernen kann, die auch viel offener sind – sie machen direkt Komplimente.“

Die Studio-Familie
Neben Christian Reitlinger ist auch Zarif Aliu seit der ersten Stunde dabei. Er ist heute der Assistent der Geschäftsleitung, hat sich vom Gläseraufräumer zum Abendleiter hochgearbeitet und wird auch gerne der MacGyver des Studios genannt: Voller Tatendrang baut er auch mal eben in der Abwesenheit des Chefs eine Personal-Toilette in einen Nebenraum ein, den man eigentlich gar nicht nutzen darf. Shit happens. Das Klo musste wieder ausgebaut werden. Macht aber nichts, Zarif behält sogar seine gute Laune, wenn er von einer Dame eine Schelle kassiert – hat im Studio tatsächlich so stattgefunden. Das Trio der Studio-Urgesteine wird perfekt mit Dirk, der seit 13 Jahren die berühmt-berüchtigte Tür der Haugerpfarrgasse 7 hütet. „Man kommt zum Studio, grüßt den Dirk an der Tür, sagt drinnen dem Zarif Hallo und findet mich in meiner Ecke an der hinteren Bar. Ich glaube, das mögen Leute, die schon länger zu Gast sind – dass diese Dinge noch so sind, wie sie schon immer waren“, ist sich Christian Reitlinger sicher. Auch die Verbindung zu den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ist eher ungewöhnlich, blickt man auf das riesige Bild der Barkeeperinnen im hinteren Club-Bereich oder auf den Studio-Kalender, für den das ganze Personal von Starfotograf Mike Meyers abgelichtet wurde. Vielleicht ist die Liebe zum Detail ein wichtiger Teil des Erfolgsgeheimnisses der Studio-Familie, wie sie sich selbst nennt. 

Promis und Sex and the City
Fakt ist jedenfalls: Das Studio hat so manchen Club in der Würzburger Partyszene überdauert und ist über die Jahre hinweg sogar noch erfolgreicher geworden. Beim großen Facelifting im Jahr 2012 erhielt die Lounge ein neues Antlitz und eine flexible Wand wurde eingebaut, sodass man je nach Anlass zwei Areas in einen großen Raum verwandeln kann, wo der DJ im Mittelpunkt auflegt. Musiktechnisch steht anstelle von Electro und House inzwischen Hip-Hop im Vordergrund und Longdrinks haben den Cocktail als Mainstream-Drink abgelöst. Vielleicht erinnern sich manche noch an die legendären Sex-and-the-City-Abende, an denen Mädels einen Cosmo nach den anderen bestellten und Carrie dabei zusahen, wie sie neue Manolos kaufte. Heute heißt der Abend Youniversity und begrüßt feiernde Studis. Zwar war Sarah Jessica Parker leider nie live vor Ort – dafür haben aber einige andere Promis dem Studio einen Besuch abgestattet: von Dirk Nowitzki, Howard Donald und Peyman Amin mit seinen Topmodels bis hin zu Jan Delay. Man munkelt, dass der bei langen Reisen gern mal in Würzburg einen Zwischenstopp einlegte, um sich für eine Flasche Schnaps mit DJ Peta Mensing hinter die Studio-Turntables zu stellen.

Now and then
Natürlich hat sich in 15 Jahren Club-Geschichte vieles verändert – aber das Wesentliche, der Kern, ist gleichgeblieben. Genau das wissen auch die Stammgäste zu schätzen, wie sie mir erzählen. Denn was auch immer man dem Studio nachsagen mag: Was bleibt, ist ein Club, der auch nach 15 Jahren zu sich steht und sich selbst treu bleibt. Und vielleicht macht genau das seinen Reiz aus.                                  

Text: Johanna Juni; Fotos: Studio