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Liebste Nachbarn

Ein Vorwort … wovor denn? Und warum aus-
gerechnet davor? Alles zusammenfassen, in einen kurzen Text? So viele Buchstaben, Bilder und Eindrücke? Nein: leider schwierig bis unmöglich.

Darum schreiben wir lieber etwas anderes: übers Erwachsenwerden und Jungbleiben? Die Neon ist Geschichte. Warum also immer noch Printmagazine?
Warum sich noch quälen mit Papier? Mit Gestalten, Drucken und Verteilen von 5.000 Magazinen in der Stadt? Ganz einfach: Weil es etwas anderes ist.
Genauso, wie es etwas anders ist, durch Deutschland mit dem Auto auf der Autobahn zu heizen oder ein halbes Jahr querfeldein zu Fuß zu laufen, wie es Manoel Eisenbacher bei seiner Wander-Uni getan hat. Dieses Gefühl versucht Anna-Lucia in ihrem Portrait über Manoels Reisen für Euch einzufangen. Warum etwas anders machen? Warum nicht den bequemen Weg gehen? Die Regie-Legende Werner Herzog gab uns bei einer Diskussion im Mainfrankentheater kürzlich den Rat: „Lauft erst einmal 100 Kilometer zu Fuß exakt in eine Himmelsrichtung, egal was kommt. Das bringt Euch weiter als jede Brücke und jedes Studium. Einfach mal machen.“

Die Sängerin Lina Maly meint: „Ich mag die Dinge, die Du tust, mehr als die Worte, die Du sagst.“ In seiner Schlichtheit und Einfachheit ist dieser Satz sehr treffend: Wichtiger als das, was wir erzählen, ist das, was wir tun, was wir erleben. Dass wir leben und unser Leben nicht in der Bildschirmzeit am Handy verloren geht. Wenn Euch Eure Kinder später mal fragen, was Ihr erlebt habt und wo Ihr schon überall wart – und Ihr nur sagen könnt: auf facebook, insta, tinder & googlemaps, dann stimmt etwas nicht. Ein Navi kennt zwar vielleicht den kürzesten, aber nie den besten Weg, den man einschlagen kann.

DIE LIEBEN NACHBARN

Zwischen Raubkatzen und Nashörnern

Kann man beruflich alles hinter sich lassen, sich komplett neu orientieren? Von einem toten, aber sicheren Weg wechseln auf einen lebendigen, jedoch völlig ungewissen? Klar, ein Versuch ist es immer wert. In meinem Fall führte er ins südliche Afrika und am Ende sogar zu meinem ersten Buch.

 

Erdmännchen, die sich in meiner Achillessehne verbeißen, Geparden, die mir mit ihrer rauen Zunge den Kopf putzen, übelriechende Afrikanische Wildhunde, die mich in Stücke reißen wollen, rotzfreche Paviane, die einem in die Unterhose greifen, ein schnarchendes ultraseltenes Pangolin, niedliche Karakale und verwaiste Breitmaulnashörner, die ich mit der Flasche aufziehe, eine respekteinflößende Leopardin, die sich von mir unter dem Kinn kraulen lässt, Löwen, Nilpferde und Spitzmaul-nashörner, denen ich zu Fuß begegne, unterschiedlichste Menschen aus aller Welt, die ich auf den verschiedensten Abenteuern im Busch des südlichen Afrika kennenlerne. All das sind nur ein paar Beispiele, die ich erlebt habe und über die ich in meinem ersten Buch schreibe.

Vor ein paar Jahren hätte ich niemals gedacht, dass ich solche Erfahrungen sammeln würde. Echte Abenteuer, Afrika selbst erleben – und dann auch noch in einer solch intensiven Art, nein, das hätte ich nicht für möglich gehalten. Bevor ich meinen ersten Aufenthalt in Namibia plante, dachte ich: Träume verwirklichen, das ist nur etwas für andere. Davon war ich tatsächlich überzeugt.

Doch es kam anders, es musste anders kommen, denn durch dieses angepasste, meinem Wesen nicht entsprechende Leben hatte ich mich schon so weit von mir selbst entfernt, dass ich mitten in einer Depression steckte. Aus der ich mich jedoch in dem kommenden Jahr heraus kämpfen sollte. Dabei hätte es doch alles weiterhin so bequem sein können. Nach zwölf Jahren als Soldat hätte ich mich entscheiden können, Berufssoldat zu werden. Es gab auch die Möglichkeit, direkt in den öffentlichen Dienst zu wechseln. Um dort in einem Amt oder einer Behörde am Schreibtisch zu sitzen und auf die vermeintliche Rente zu warten. Die dritte – scheinbar vernünftige – Variante wäre gewesen, mich einfach mit meinem Diplom zum Wirtschaftsinformatiker in die freie Marktwirtschaft zu werfen. Damit würde ich wohl mit Abstand am meisten Geld verdienen. Doch stattdessen ging ich ins südliche Afrika. Immer und immer wieder – und zwar auf eigene Kosten. Insgesamt sieben Mal bereiste ich Namibia und Südafrika innerhalb von nur dreieinhalb Jahren. Arbeitete schwitzend unter der brennenden afrikanischen Sonne monatelang als Volontär auf Wildtierauffangstationen, erkundete die staubige Kalahari als Fotograf und ging am Ende als Wildhüter auf blutige Patrouillen in einem privaten Wildtierschutzgebiet.

ONLY FOOD RUNS

Ich werde immer wieder nach der gefährlichsten Situation gefragt, in der ich mich befand. Schwer zu sagen, es gibt ja viele unsichtbare Gefahren, denen man sich im jeweiligen Moment eventuell gar nicht bewusst war. Verborgene giftige Schlangen, Spinnen, ein Raubtier, das man im Busch vielleicht gar nicht bemerkt hat, während man ein paar Meter entfernt an ihm vorbei lief. So etwas eben. Ich könnte jetzt nicht sagen, welche lebensbedrohliche Situation, die ich in meinem Buch beschreibe, die gefährlichste davon war. Was mir jedoch in allen Erlebnissen Sicherheit gegeben hat, waren die verschiedenen Verhaltensregeln, die ich über die Zeit gelernt habe. So zum Beispiel: „Only Food runs“ – die mit Abstand wichtigste Regel im Umgang mit Raubtieren. Wer wegrennt, zeigt seine Schwäche, seine Unterlegenheit. Außerdem weckt er automatisch den Instinkt beim Räuber, die fliehende Beute zu jagen. Davonkommen ist ohnehin unmöglich. Deshalb gilt: Wenn du einem Raubtier wie etwa einem über 200 Kilogramm schweren Löwen – begegnest, kannst du viel machen: zum Beispiel beten, laute, der Großkatze fremde, Geräusche erzeugen, dein Gewehr (falls du eins hast) in Anschlag nehmen und hoffen, dass du es nicht brauchst, dir vor Angst in die Hose machen … was auch immer – aber eins mach niemals: wegrennen. Denn nur Beute rennt! Und da kannst du nur verlieren. Usain Bolt, der schnellste Mensch der Welt, schafft 44 Stundenkilometer, ein Löwe über 80! Und die schwere Raubkatze ist noch nicht mal das schnellste, sondern nur das größte Raubtier Afrikas. Bei anstürmenden Spitzmaulnashörnern oder Nilpferden gelten jedoch andere Regeln …

Aber nicht nur um das eigene Überleben im afrikanischen Busch geht es in meinem Buch, sondern, wie bereits angedeutet, auch um das Überdenken, Überwinden und Überleben falscher Lebenswege. Am meisten jedoch um das Überleben der afrikanischen Wildtiere, deren Lebensraum immer kleiner wird. Viele stehen kurz vor dem Aussterben, so zum Beispiel das Nashorn, das Pangolin oder der Afrikanische Wildhund. Andere wie der Gepard, der Leopard oder das Nilpferd sind auf dem direkten Weg dorthin.

RHINO-WAR

Ich setzte mich immer wieder den verschiedensten Gefahren aus. Wieso? Die Antworten sind vielfältig. Weil ich etwas Sinnvolles, etwas Lebendiges tun wollte. Weil ich diese berauschenden Landschaften und ihre einmaligen tierischen Bewohner fotografisch festhalten wollte. Weil ich die Hintergründe im Konflikt zwischen Wildtier und Mensch sowie der Wilderei selbst erkennen und echtes, ungefiltertes Wissen darüber erlangen wollte! Weil ich einen Beitrag zum Schutz dieser mich so faszinierenden Geschöpfe leisten wollte! Und weil ich nicht tatenlos beim Aussterben der letzten Nashörner auf unserem Planeten weder zusehen wollte noch will.

Denn in Afrika herrscht Krieg. Ein von uns in Europa wenig beachteter Krieg. Ein Krieg um die letzten Nashörner. Und dieser hat einen eigenen Namen: „Rhino-War“. Es ist ein recht ungleicher Kampf. Auf der einen Seite steht das organisierte skrupellose internationale Verbrechen, auf der anderen Seite die so gut wie wehrlosen Nashörner. Dazwischen eine dünne Linie unterbezahlter staatlicher Wildhüter und Soldaten sowie nicht staatliche Antiwilderer-Organisationen und Besitzer privater Wildtierschutzgebiete mit ihren Angestellten. Erschwert wird der Kampf gegen die Wilderer häufig durch korrupte Regierungen und Behörden, die mitverdienen – zum Beispiel in Südafrika. Wie dramatisch das Sterben der Nashörner ist, lässt sich einfach in Zahlen darstellen. Nehmen wir nur das Spitzmaulnashorn, das zur kleineren, aggressiveren der beiden noch existierenden afrikanischen Nashornarten gehört und auf dem Cover meines Buches zu sehen ist. Um 1900 gab es auf dem ganzen Kontinent noch in etwa 850.000 Stück dieser Art. In den 1960er Jahren ging der Bestand auf 80.000 Stück stark zurück. Heute sind es nur noch 5.000 in ganz Afrika! Innerhalb eines Jahrhunderts hat der Mensch es durch unkontrollierte Jagd und jetzt vor allem durch Wilderei bis kurz vor die Ausrottung getrieben!

Aber was ist der Grund für diesen ganzen Wahnsinn? Geld. Der Preis auf dem Schwarzmarkt für ein Kilo Horn beginnt (!) bei rund 55.000 US-Dollar. Damit ist er höher als der von Gold oder Kokain – Horn zählt zu den teuersten Elementen auf dieser Welt. Rebellen- und Terrororganisationen finanzieren sich sogar mit den Hörnern der Tiere. Sie stehen somit auf der gleichen Stufe wie die sogenannten Blutdiamanten. Aber wer will überhaupt diesen „Rohstoff“? Wer zahlt Unmengen an Geld für etwas, das einem Tier aus dem Gesicht gehackt wurde, um es im Anschluss verbluten zu lassen? Wenn es nicht schon vorher tot war, durchsiebt von großkalibrigen Gewehren, ausgestattet mit Schalldämpfern. Die Käufer sitzen in ostasiatischen Ländern, allen voran China und Vietnam. Hier wird durch eine fehlgeleitete traditionelle Medizin dem Horn des Tieres eine heilende Wirkung zugeschrieben. In Vietnam wird sogar behauptet, es heile Krebs. Die Regierungen dieser Länder haben kaum bis offensichtlich kein Interesse daran, ihre Bevölkerung darüber aufzuklären, dass mit dem Kauf der Produkte eine ganze Tierart ausgerottet wird. Die angebliche Heilwirkung hat keinerlei wissenschaftliche Grundlage, denn eines steht fest: Das Horn besteht ausschließlich aus Keratin – dem gleichen Material wie menschliche Fingernägel. Aber im Irrglauben über die (nicht vorhandene) Heilwirkung liegt nicht der einzige Grund für den Preis. So ist zum Beispiel Elfenbein zum Statussymbol reicher Chinesen und Vietnamesen avanciert – wird aber vom noch weitaus selteneren und teureren Horn eines Rhinos noch um Längen übertroffen, wenn es darum geht, Freunde und Geschäftspartner zu beeindrucken. Umso seltener, umso teurer, umso teurer, umso besser – so einfach ist die Rechnung dieses Wahnsinns. So traurig es ist, es ist die Wahrheit – doch gerade das macht es so wichtig, nicht wegzusehen und möglichst viele Menschen darauf aufmerksam zu machen. Andernfalls ist es bald zu spät.

Meine Erfahrungen und mein Wissen möchte ich nutzen, um weiterhin auf den Konflikt zwischen Wildtier und Menschen hinzuweisen. Freie Nashörner in ihrer natürlichen Umgebung zu fotografieren ist etwas so unvergleichlich Schönes und fasziniert immer wieder aufs Neue! Umso mehr wünsche mir, dass dies auch noch den nächsten Generationen vergönnt bleibt. Aus diesem Grund möchte zum Schutz der Nashörner so viel beitragen, wie es mir nur irgendwie möglich ist. Aber dafür brauche ich Unterstützung – ganz gleich, ob in Form von Organisationen, Firmen oder einzelnen, ebenfalls begeisterten und verantwortungsvollen Menschen.

Willst Du mehr über das Buch oder mich erfahren, dann besuche gerne meine Website: www.animalperson.org oder folge mir auf Instagram unter @animalperson. Auf meiner Website gibt es Animalperson-Logo-Merchandise sowie hochwertige Wildtierfotografien in verschiedensten Größen. Mit jedem Kauf unterstützt Ihr meine zukünftigen Projekte.

Sebastian Hilpert wurde 1985 in Würzburg geboren. Der ehemalige Soldat ist unter anderem gelernter Wirtschaftsinformatiker, aktuell jedoch Wildtier-Fotograf und Autor. Seine Motivation ist es, die Wildtiere Namibias sowie ihren natürlichen Lebensraum zu schützen. Sebastians erstes Buch „ÜBERLEBEN – Als Wildhüter in Afrika“ erschien vor kurzem im Bastei Lübbe Verlag.

Am 25. Oktober könnt Ihr Sebastian Hilpert, im Rahmen der „Langen Nacht des Lesens“ live im Hugendubel erleben.

 

ABER EINS MACH NIEMALS: WEGRENNEN. DENN NUR BEUTE RENNT!

Alle Psycho, oder was?

In unserer schönen Stadt tummeln sich bekanntlich jede Menge Studenten. Doch längst ist bei den hippen jungen Erwachsenen nicht immer alles eitel Sonnenschein, weiß Saida Thenhart. Sie befasst sich beruflich mit den psychischen Problemlagen der Generation Y – und stand LIEBE NACHBARN im Interview Rede und Antwort.

 

Saida, bei Deiner Arbeit als Heilpraktikerin für Psychotherapie befasst Du Dich intensiv mit der Generation Y. Mal grundsätzlich: Wer fällt eigentlich genau in diese Gruppe?

Die Generation Y, Why oder auch Ypsiloner, Digital Natives und inzwischen auch die Boomerangs sind in Deutschland grundsätzlich alle jungen Erwachsenen, die von 1980 bis 1995 geboren wurden, allerdings verschwimmen die Grenzen natürlich nach oben und unten hin etwas.

Warum hast Du Dich entschlossen, mit Deiner Arbeit gerade diese Generation in den Fokus zu nehmen?

Die Statistiken zeigen, dass die 12-monatige Erkrankungsprävalenz, also die Häufigkeit der Er-krankungen, gerade bei dieser Altersgruppe in Deutschland am höchsten ist. Da ich selbst Jahrgang 1985 bin und weiß, wie das Leben für uns sein kann, war es nur logisch, auch dort mit meiner therapeutischen Unterstützung anzusetzen.

Und gibt es psychische Probleme, die ganz typisch für die Ypsiloner sind?

Unsere Probleme sind grundsätzlich immer so vielfältig wie das Leben selbst und „multifaktoriell bedingt“, also von mehreren Faktoren abhängig. Es existieren allerdings Themen, die in dieser Generation häufiger vorkommen – etwa Depressionen und Angststörungen, aber auch Substanzgebrauch wie Alkohol, Drogen oder Medikamente. Die Generation Y ist die erste Generation, die so viel Freiheit und zugleich so viele Wahlmöglichkeiten beziehungsweise Chancen hat. Hinzu kommen eine sehr gute Bildung und allerlei Komfort. Um aber unser Potenzial zu entfalten und dieses ins tägliche, von Leistungsdruck geprägte Leben einbringen zu können, ist es auch wichtig, wahrzunehmen, was wir wirklich wollen, vielleicht auch brauchen – und was hierfür nötig ist. Überhaupt wird die Entscheidungsfindung sowie die damit einhergehende Verantwortung in dieser Generation immer wieder zum Thema.

Wie haben sich die psychischen Krisen junger Menschen denn allgemein in den letzten 20 Jahren verändert?

Generell lässt sich sagen, dass die Zahl der Fälle – oder vielmehr der Diagnosen – bei den Krankenkassen zugenommen hat. Die effektive Prävalenz, also die Krankheitshäufigkeit in der Bevölkerung, lässt hingegen keinen Anstieg in den letzten 20 Jahren verzeichnen.

Wie wirken sich moderne Medien, ständige Erreichbarkeit und Trends wie Selbstoptimierung auf die Psyche junger Erwachsener aus?

Ich sage immer: Das ist Fluch und Segen zugleich. Die Generation Y ist bekanntermaßen sehr technikbegeistert. Einerseits bietet sich uns dadurch ein wahres Füllhorn aus Eindrücken und Möglichkeiten. Das ist großartig und eigentlich ein Geschenk. Auch ich nutze mit @lifeprooftherapie einen Instagram-Account, um Gedanken zu teilen und Impulse zu setzen. Die Fülle des Angebots in den Medien bringt aber auch mit sich, dass wir selbst filtern müssen, was unserem seelischen Befinden zuträglich ist und was eher destruktiv wirkt. Das strengt auf Dauer an – und der permanente Vergleich mit „Influencern“, aber durchaus auch Freunden und Bekannten sowie deren Leben, kann sogar ein Faktor mehr im Leben sein, der uns aus dem Lot bringt und das Erkennen unserer wunderschönen Einzigartigkeit sabotiert. Stichwort Selbstoptimierung: Hier gibt es inzwischen gegen alles das passende Wässerchen. Vom Loslassen über Coaching für und gegen dieses und jenes – gerne geben wir hierfür Unmengen an Geld aus und betreiben großen Aufwand. Aber das Naheliegendste, das simple Aushalten von Dingen (bei Bedarf mit therapeutischer Unterstützung), um mehr über sich selbst zu erfahren, wird als wichtiges Tool übersehen. Wenn uns das Leben vor Herausforderungen stellt, ist es aber genau das, weil man sich die Lösung eben meist nicht einfach „erkaufen“ kann, sondern hindurchgehen muss durch diesen Prozess.

Unsere moderne Zeit ist geprägt von Happy-Life-Urlaubspostings und Co. – gerade Vertreter der Generation Y nutzen soziale Medien, um eine Fassade aufzubauen, die vor Perfektion nur so strahlt. Doch oftmals sieht es dahinter ganz schön düster aus. Gibt es allgemeine Anzeichen, die darauf hindeuten, dass bei so jemandem doch nicht alles im grünen Bereich ist?

Ob man so etwas in den sozialen Medien erkennt, ist erstmal fraglich. Wo doch stetig an der Außenwahrnehmung gefeilt wird. Wenn allerdings ein Mensch in unserem Umfeld seelisch beziehungsweise psychisch im Leid ist, gibt es einige Indikatoren, die uns Anlass geben können, lieber einmal mehr nachzufragen. Gerade rund um verschiedene sogenannte „Life-Events“ herum. Das sind lebensverändernde Ereignisse, wozu nicht nur Belastendes wie Trennung oder Jobverlust, sondern auch ein Umzug in eine neue Stadt, Arbeitsplatzwechsel oder Ähnliches zählen. Zudem gibt es insbesondere hinsichtlich Suizidalität gewisse Vorboten wie beispielsweise sozialer Rückzug, gedankliche Einengung, Isolierung vom Freundeskreis, Resignation, Persönlichkeitsveränderungen, Aggressivität oder Hoffnungslosigkeit. Auch eine plötzliche Gelöstheit, die nicht „passt“ zu dem Verhalten in der Zeit davor kann ein Hinweis sein. Circa 75 Prozent aller Suizide werden zudem vorher angekündigt – daher sind Hilferufe oder Andeutungen immer ernst zu nehmen. Bei bekanntem Substanzgebrauch oder einer psychischen Vorerkrankung ist es ebenfalls ratsam, nachzuhaken.

Neben der Generation Y gibt es ja auch die Generation Z – also ungefähr die Geburtenjahrgänge ab 1997. Wie unterscheidet sich deren psychisches Profil von dem der Ypsiloner? Die Generation Z, auch Digital Natives 2.0, ist mit sämtlichen modernen Technologien aufgewachsen und nutzt diese noch um einiges mehr als die Ypsiloner.

Sie verwenden sie beruflich, vor allem aber auch privat. Das könnte in Bezug auf Online-Hilfsangebote in der psychotherapeutischen Arbeit von Bedeutung sein. Dadurch, dass sie damit aufgewachsen sind, kennen sie auch die Gefahren besser, die damit verbunden sind. Zudem legt die Generation Z mehr Wert auf eine klare Work-Life- Separation – anders als die Ypsiloner, die den Begriff Work Life-Balance beziehungsweise Blending geprägt haben. Die Digital Natives 2.0 sind oft gut behütet aufgewachsen und wieder mehr sicherheits- und strukturorientiert. Sie weisen eine sozialere Orientierung auf und wollen sich vor allem wohlfühlen, haben aber nicht den ausgeprägten Drang, sich primär über den Beruf zu definieren. Ich denke, um die psychischen Themen dieser Generation aufgrund valider Fakten benennen zu können und nicht zu spekulieren, ist es möglicherweise noch etwas früh.

Man hört und liest immer wieder, dass Würzburg als Stadt mit vielen Singles in der Suizidstatistik ganz oben steht. Stimmt das denn?

Es fällt mir schwer, hierbei den Konsens im Bezug auf Suizid und Singledasein zu finden. Einsamkeit kann ein wichtiger Faktor sein, aber Partnerlosigkeit per se nicht unbedingt. Zumal man natürlich auch trotz beidem ein intrinsisches Gefühl der Einsamkeit erleben kann. Frei nach dem Motto: Zu zweit und dennoch allein. Alleinsein und Einsamkeit sind zwei ganz unterschiedliche Dinge.

Mal generell gesprochen – in den letzten Jahren haben sich viele Schauspieler, Sportler und andere Persönlichkeiten zu ihren psychischen Problemen bekannt. Spürst Du auch, dass man heute offener mit solchen Themen umgeht? Oder schämen sich viele immer noch dafür?

Einerseits ja. Es gibt inzwischen einige, die ganz offen damit umgehen. Dennoch halten sich diverse Vorurteile hartnäckig und es existiert eine gewisse Doppelmoral bei der es zwar „okay“ ist und man es „nicht verurteilt“, wenn ein Bekannter oder Freund zur Therapie geht, aber man selbst geht natürlich nicht „da hin“. Dabei sind in Deutschland laut aktuellster Studien jedes Jahr etwa 27,8 Prozent der erwachsenen Bevölkerung von einer psychischen Erkrankung betroffen. Und pro Jahr erfüllt mehr als jeder vierte Erwachsene die Kriterien einer psychischen Erkrankung. Können wir uns bei diesen Zahlen überhaupt erlauben, zu urteilen oder zu tabuisieren? Ich meine, Psychotherapie bedeutet letztendlich erstmal nichts anderes als Entwicklung. Und dafür sollte sich kein Mensch, egal wo auf der Welt, schämen müssen. Ich finde es „faszinierend“, dass es so hochgemünzt wird oder werden muss, wenn sich jemand zu seinen psychischen Problemen bekennt; wir machen ja auch keine Schlagzeile daraus, wenn jemand körperliche Therapie benötigt – und das ist doch im Grunde nichts anderes, oder?

Gibt es einen Unterschied zwischen Frauen und Männern? Wem fällt der Schritt leichter, sich psychotherapeutische Hilfe zu suchen?

Ja den gibt es. Allein schon bedingt durch die Geschlechterrollen in der Gesellschaft und deren Umgang mit psychischen Erkrankungen. Oft wird zu Unrecht angenommen, psychische Störungen seien eher ein Frauenthema und dem „schwachen“ Geschlecht zugehörig etc. Dem ist nicht so. Zwar sind Frauen fast doppelt so häufig wie Männer von Angststörungen und affektiven Störungen, zum Beispiel Depressionen, betroffen. Männer aber verlagern Belastungen einfach eher auf Substanzmissbrauch und -abhängigkeit.

Wir müssen Dir diese Frage einfach stellen: Bitte vervollständige doch diesen Satz: Mein Rat für ein glückliches, zufriedenes Leben ist …?

Nicht im Außen danach Ausschau zu halten. Ich glaube, wenn es den ultimativen Rat gäbe, würde es möglicherweise mehr Menschen geben, die ein glückliches und zufriedenes Leben führen würden. Es existieren zwar gewisse festgelegte Parameter, die für Glück und Zufriedenheit maßgeblich sind – aber es ist doch beispielsweise für den einen eher erstrebenswert, an der Börse große Erfolge zu erzielen, während ein anderer Mensch ein häusliches Leben im Kreis der Familie bevorzugt. Ich glaube, ein liebevoller und sanftmütiger Umgang mit uns selbst und unserem Umfeld ist eine solide Basis, die viel bewirken kann in unserem Leben. Ebenso eine bewusste dankbare Haltung, ein Gewahrsein für den Moment. Wem das gelingt, der hat zumindest schon einmal mehr als viele andere Menschen.

Wir haben auf Deinem Instagram-Account entdeckt, dass Du auch verschiedene Events durchführst. Wie kam es dazu?

Naja, es gibt im gesamten Gesundheitssystem alle Hände voll zu tun – und ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, auch außerhalb der Praxis einiges zu bewegen. Zum Beispiel in Form von Vorträgen zu verschiedenen Themen. Letztes Jahr rief ich auch ein Treffen für Frauen ins Leben, das inzwischen alle zwei Monate stattfindet, um Frauen aus der Region eine Plattform zum persönlichen Dialog rund um das Thema Weiblichkeit zu bieten.

Was unterscheidet eigentlich einen Life Coach vom Heilpraktiker für Psychotherapie?

Coaching richtet sich an gesunde Personen, ist kein geschützter Begriff – und es erfordert keine Prüfung, um als Coach zu arbeiten. Lösungsstrategien oder die Stärkung von Fähigkeiten oder Motivation stehen dabei oft im Vordergrund. Ein HP PSY befasst sich mit der Behandlung und Begleitung psychisch erkrankter Menschen. Er ist dementsprechend auch in der Lage beziehungsweise dazu verpflichtet, selbstständig Diagnosen auf dem Gebiet psychischer Erkrankungen zu stellen. Dafür muss er über eine Heilerlaubnis verfügen und unterliegt somit diversen Pflichten und Richtlinien. Ziel ist bei ihm die Wiederherstellung der psychischen Gesundheit der Klienten, allerdings ohne das Verschreiben von Medikamenten – das ist tabu! Als Orientierungswert: Umso größer die persönliche Beeinträchtigung beziehungsweise die Einschränkung im Alltag durch das Problem, desto eher ist eine Psychotherapie und kein Coaching indiziert.

Saida Thenhart arbeitet als Heilpraktikerin für Psychotherapie in Würzburg. Zudem ist sie bereits seit einigen Jahren als Ernährungstherapeutin und ganzheitlicher Gesundheitscoach tätig. Sie unterstützt Menschen, die unter psychischer Überlastung, Depressionen, Essstörungen oder Ängsten leiden. Zudem berät sie Paare in Konfliktsituationen und Menschen, die sich einen grundsätzlich gesünderen Lebensstil wünschen.

www.transformationdurchliebe.de

Die mit den Augen ringt

IF YOU ARE TIRED PUT A RING ON IT

„Geht es dir gut?“, „Alles okay?“ oder „Nimmst du Drogen?“. Mit solchen Sätze werde ich seit ich mich erinnern kann, begrüßt: Von Freund_innen, Lehrer_innen, Kommiliton_innen, Kolleg_innen und sogar von Menschen, die ich gar nicht kenne.

 

Der Grund dafür: ich bin von Natur aus sehr blass, dünn und ich habe – egal, ob ich viel oder wenig schlafe – Augenringe. Augenringe so krass, wären es Verlobungsringe, ich würde ein Vermögen damit verdienen, könnte ich sie verpfänden.

Meine Brüder haben das gleiche „Problem“, die Sache ist klar: Es ist genetisch bedingt. Einer meiner Brüder sagt immer: „Pauline, wir sehen einfach von Natur aus fertig aus, das ist unser natürlicher Zustand. Und wenn wir dann mal neutral schauen und nicht lächeln, dann wird es noch schlimmer.“

Recht hat er. Leider. Als Jugendliche hab ich alles probiert: An vorderster Front natürlich mit Schminke, ich habe mir die Haare (mal grün, mal rot, mal blond) gefärbt, um von der Blässe und den Augenringen meines Gesichts abzulenken, ich habe mich im Sommer stundenlang ohne Sonnencreme gesonnt, um endlich braun zu werden, ich habe mir bunte Ohrringe gekauft, betont flippige Klamotten angezogen und immer einen Witz auf den Lippen gehabt, um zu zeigen: Es geht mir gut.

Sogar das schöne bequeme schwarze Kleid, dass ich mir zu Weihnachten gewünscht hatte, musste schnell wieder im Schrank bleiben. Dabei hatte ich mich so gefreut, als ich es bekommen hatte. Aber die Reaktion meiner Lehrerin nach den Ferien, als ich es stolz in der Schule präsentierte, war: „Pauline, in dem Kleid siehst du ja noch blasser aus als sonst. Alles okay?“ Ja, alles okay. Mir ging es gut, ich war erholt, zwei Wochen Ferien lagen hinter mir, ich hatte gut geschlafen. Und sah – wie immer – fertig aus.

Weil meine Eltern aus beruflichen Gründen viel umgezogen sind, war ich auf drei verschiedenen Gymnasien, auf jedem wurde ich irgendwann mal von der_dem Vertrauenslehrer_in vom Pausenhof geholt und gefragt, ob ich Drogen nehme und ob ich mich denn gut eingelebt hatte. Nein, keine Drogen, ja, gut eingelebt. Nein, ich wollte nicht über mein Drogenproblem reden, weil ich schlichtweg keines hatte. Ich wollte einfach zurück auf den Pausenhof und mit meinen Freund_innen quatschen. Klar, lieber einmal mehr gefragt, als einmal zu wenig, für mich war es dennoch eine Tortur, über etwas reden zu müssen, was nicht mein Problem war, und es bestätigte mir immer wieder: Du siehst nicht normgemäß aus.

Meine chronische Nebenhöhlenentzündung, die ich seit dem 13. Lebensjahr habe, und mein einer verstopfter Tränengang, den ich von Geburt an habe, machen meinen Look nicht besser.

Also fühlte ich mich beschissen. Nicht, weil ich mein Aussehen beschissen fand, sondern, weil mir fast jede_r suggerierte: Pauline, du siehst fertig aus, du musst brauner sein, fresher, das blühende Leben auf deinem Körper tragen. Je älter ich wurde, desto mehr fand ich herraus, was die Augenringe (die eh immer da sind) noch verstärkt: frühes Aufstehen (selbst, wenn ich neun Stunden geschlafen habe, vor acht Uhr aufzustehen steht mir einfach nicht), Erkältungen, wenn ich friere, wenn ich weniger als sieben Stunden schlafe und dann noch früh aufstehen musste. Quasi meine ganze Schulzeit lebte ich im sozialen Jetlag.

Ich habe das große Glück, als Künstlerin freiberuflich tätig zu sein, das heißt: Wenn es nicht unbedingt anders sein muss, stehe ich erst zwischen neun und zehn Uhr auf, das ist mein natürlicher biologischer Aufwachzeitpunkt. Ich bin fitter, leiste mehr, und sehe nur halb so fertig aus, wie sonst. Die Augenringe bleiben. Zur Zeit ist der Look „Blass mit Augenringen“ wieder in, ich gehe den Trend mit. Klaro. Ich habe mich damit abgefunden, auszusehen, wie ich eben ausehe, jenseits jeglicher Mode. In ein paar Jahren wird es wieder hip sein, sonnengebräunt und frisch auszusehen. Ich bleibe zeitlos beaugenringt und mit markantfreundlicher Blässe. An Halloween geh ich als Vampir oder Elfe. Schminken ist da kaum notwendig, nur noch ein paar abgefahrene Kontaktlinsen rein, fertig ist das Kostüm.

Seit ein paar Jahren trage ich bevorzugt knalligen Lippenstift, dazu blonde Haare und eine Brille, das macht mich zusätzlich noch etwas frischer, weil eben manchmal doch der erste Eindruck zählt. Ich möchte ja wiederum auch nicht, dass der_die Veranstalter_in die_der mich für eine Lesung bucht, denkt, ich wäre nicht fit. Wenn Menschen mich dann besser kennen, wissen sie ja, dass ich sehr auf mich achte, täglich Yoga mache, mich gesund ernähre und den Raum sofort verlasse, sobald sich jemand eine Zigarette anzündet.

Ab und zu besuche ich meinen Bruder in Berlin. Wir machen gerne Stadtspaziergänge. Manchmal lauern wir morgens vorm Berghain und mischen uns unter die Leute, die die Nacht durchtanzten und nun auf dem Nachhauseweg sind. Wir fallen gar nicht auf – ausgeschlafen wie wir sind – zwischen den Nachteulen, unsere Augenringe sehen schön aus, unverdächtig, als hätten wir ne Menge erlebt letzte Nacht. Und das haben wir: Wir haben gut geschlafen, schön geträumt und lecker gefrühstückt.

Später stoßen wir mit Orangensaft an. „Pauline, du siehst so richtig erholt aus!“ sagt mein Bruder.

Ich grinse. „Du auch!“ Dann gehen wir federnden Schrittes in die Mittagssonne davon.

Pauline Füg wurde in Leipzig geboren und wuchs in und um Nürnberg auf. Mittlerweile pendelt sie über Umwege nach Eichstätt, Berlin und Hannover kulturell zwischen Würzburg und Fürth. Seit über 15 Jahren gehört sie zu den renommiertesten deutschsprachigen Spoken-Word-Poetinnen. Sie arbeitet als Autorin, Dozentin für Kreatives Schreiben und als Creative Empowerment Coach. Ihr Lyrikband „die abschaffung des ponys“ erschien im Würzbürger stellwerck Verlag. 2015 gewann sie den Kulturförderpreis der Stadt Würzburg.

Weitere Infos: www.paulinefueg.de

Eine gute Erklärung

Hannah ist 39 und sie hat keine Kinder. Schlimmer noch, sie ist Single.

 

Das war keine bewusste Entscheidung, es ist einfach so
passiert. Es ist noch kein Mann aufgetaucht, dessen Gesicht Hannah gerne in winzig klein doppelt gesehen hätte – vielleicht mit ihren grünen Augen und den blonden Locken ihres Mannes. Hannah mag Männer mit blonden Locken.

Aber ihre letzte Beziehung ist drei Jahre her und sie hat gelernt, alleine zu sein. Sie ist sogar gerne alleine. Es geht ihr gut. Zumindest dann, wenn sie niemanden erzählen muss, dass sie 39 ist und keine Kinder hat und Single ist. Dann kommt sie in Erklärungsnot. Hannah könnte auch Hanan heißen oder Hang oder Haily. Die Reaktionen wären ähnlich. Aber das bringt Hannah wenig, denn sie ist Hannah und weiß nicht, dass es woanders auf der Welt eine Hanan gibt und eine Hang und eine Haily, die auch alle 39 sind, keine Kinder haben und Single sind. In Hannahs Welt ist sie die Einzige.
Sie ist diejenige, die vor Hochzeiten den Extra-Anruf bekommt, um gefragt zu werden, wo sie sitzen möchte: Neben dem 54-jährigen Junggesellen oder lieber am Kindertisch? Sie ist diejenige, die im Büro kurz vor ihrem Urlaub mit einem mitleidigen Blick gefragt wird: „Und? Was machst du so?“ Als müsste sie sich jetzt zwei Wochen zu Tode langweilen, weil sie niemanden hat, der an ihren Brüsten saugt und die Wohnung für sie verwüstet – auch keine Kinder. Hannah ist diejenige, die seit sie 25 ist auf jedem verdammten Familienfest von Onkel Albert gefragt wird, wie es denn mit der Familienplanung aussehe. Als wäre das eine öffentliche Diskussion, die von der Familie schon alleine aus Gründen des Stammbaumkonzepts gemeinsam besprochen werden müsste. Oma Christa sitzt dann meist daneben und scheint innerlich Probezeichnungen für Hannahs Stammbaumast zu machen. Und der ist verdammt dünn und hat gar keine Blätter. Hannah kann gut mit sich sein, sie liebt Gitarren-lastige Musik, schwärmt für Rockkonzerte und Rocksänger mit blonden Locken, sie kauft gerne duftende Badezusätze und sie mag es, am Sonntagmorgen mit ihrer besten Freundin Tessa zu telefonieren – während diese mit dem MaxiCosi durch ihre Vorstadtsiedlung joggt und Hannah in der Wanne Blubberblasen zerplatzen lässt. Sie kann gut zuhören, gut sich selbst reflektieren und Hannah ist sehr gut darin, die Dinge realistisch zu sehen. Weder zu schwarz, noch zu strahlend. Manchmal glaubt sie daran, dass die Liebe ihres Lebens noch auf sie wartet und manchmal auch nicht. Meistens aber ist sie sehr gut darin, selbst die Liebe ihres Lebens zu sein. Nur eines kann Hannah nicht: Sie kann es nicht ertragen, noch ein einziges weiteres Mal die Antwort darauf zu hören, wenn sie sagt „Nein, ich habe keine Kinder. Ich lebe alleine.“

Deshalb hat Hannah eine neue Strategie entwickelt: Immer, wenn jemand sie darauf anspricht, antwortet Hannah mit einer Phantasie, wie es sein könnte. Sie baut ihren eigenen kleinen kreativen Lebensentwurf. Als wieder eine ihrer Freundinnen, Maja, geheiratet hat, fing das an. Hannah hatte die Einladung mit den rosa Herzchen und den weißen Tauben schon zwei Wochen vorher bekommen. Sie hatte Zeit sich vorzubereiten. Als dann eines Samstagnachmittags das Telefon klingelte, war Hannah bereit: „Süße, ich rufe auch an wegen der Sitzplanung …“, murmelte Maja am anderen Ende der Leitung in den Hörer und Hannah hätte am liebsten gerufen „Ich weiß!“. Sie musste schlucken. Kleine Tränchen wollten ihr in die Augenwinkel treten – schwarze kleine Tränchen, die eine gehörige Portion Wut über die Fantasielosigkeit und die Intoleranz der Leute beinhalteten. Warum war man als Frau auch noch anderen Frauen eine Antwort schuldig, warum man niemanden abbekommen hatte? Warum musste sie Maja jetzt Schwierigkeiten bei der Sitzplanung bereiten – hätte sie nicht einfach mit irgendwem zusammen bleiben können, zumindest für alle künftigen Hochzeiten? Doch statt zu weinen, legte sich plötzlich Entschlossenheit in Hannahs Blick und sie hörte sich die Frage Kindertisch oder lieber neben dem anderen Single der Veranstaltung (71, aber „ein ganz lieber Opi meines Mannes“) in Ruhe an.

Dann räusperte sie sich kurz und antwortete: „Ich weiß nicht, ob mir das nach den fünf Abtreibungen in den letzten Jahren so gut tut mit dem Kindertisch. Und 71jährige erinnern mich immer so an Klaus, mit dem ich vorletztes Jahr… naja, die letzten zwei Abtreibungen…“ Einen Moment war es sehr still am Telefon. Über so was macht man keine Witze. Aber es war ja auch nicht lustig gemeint. Eher gedankenerweiternd. Sie wollte endlich eine plausible Erklärung liefern, die jedermann verstand. Gefühlte Ewigkeiten verstrichen. Hannah sah förmlich vor sich, dass ihre Freundin am anderen Ende der Leitung in Schockstarre verfallen war. Doch plötzlich löste sich etwas und dann … lachte Maja – zuerst ganz leise und, als Hannah sie nicht unterbrach, sondern einfach schwieg, wurde ihr schüchternes Glucksen zu einem lauten Prusten. Was war ihr auch anderes übrig geblieben. Hannah saß dann auf der Hochzeit am Tisch neben ihrer besten Freundin Tessa.

Dieses Erfolgserlebnis hat Hannah angespornt. Mit der Zeit ist sie immer professioneller geworden in der Präsentation ihrer Lebensentwürfe. Wenn eine Kollegin sie auf der Arbeit fragt: „Und? Wie verbringst du deinen Urlaub?“ als würde sie sich gerade erkundigen, wie die Brustkrebs-OP gelaufen ist, sagt Hannah: „Ich fliege wieder in den Kongo. Ich hab Sextourismus ja vor einigen Jahren für mich entdeckt.“ Oder wenn Hannahs männliche Kollegen um sie herumstehen und mit ihren Kindern angeben, die gerade von ihren Hausfrauen und Müttern erzogen werden, dann sagt Hannah ungefragt: „Ich hasse ja Kinder. Ich hab mich sterilisieren lassen, als ich 18 war.“

Die größte Herausforderung war Onkel Albert, den sie auf dem 90.Geburtstag ihrer Oma Christa wiedersehen sollte. Hannah hatte geübt – betrunken, vor dem Spiegel, im Auto auf der Hinfahrt, also nüchtern, und sie hatte immer darauf geachtet, weder rot zu werden, noch den Hauch eines Lächelns im Mundwinkel zuzulassen. Am Ende konnte sie es kaum noch abwarten. Endlich saß sie an der weiß gedeckten Tafel mit dem Silberbesteck und den Tellern mit Goldrand. Onkel Albert ihr genau gegenüber. Und natürlich ließ er nicht lange auf sich warten: „Na, Hannah, was gibt’s Neues von der Familienplanung?“, er zog sein Grinsen so in die Breite, dass Hannah fürchtete, es würde demnächst sein Gesicht sprengen, „TICKTACK TICKTACK …“, fügte er zwinkernd hinzu. Hannah holte tief Luft und sagte dann: „Das ist bei uns nicht meine Aufgabe. Das mit dem Kinderkriegen übernimmt Franzi. Wir sind jetzt seit zwei Monaten zusammen und wollen übernächste Woche die erste künstliche Befruchtung angehen. Bist du als Samenspender interessiert?“ Oma Christa verschluckte sich fast an ihrem Erdbeerkuchenstück. Und erst im Nachhinein fiel Hannah auf, dass es ein unterdrückter Lachanfall war und ihre Oma ihr zugezwinkert hatte.

Hannahs Leben ist nicht einfacher geworden, seit sie diese neuen Lebensentwürfe plant. Aber es hat deutlich an Dramatik gewonnen. Sie verbringt oft ganze Feierabende mit dem Ausdenken neuer Geschichten – sie hat ja sonst kaum was zu tun ohne Kinder und Mann. Mittlerweile macht ihr die Sache so Spaß, dass sie sich zurückhalten muss, nicht selbst Leute in der Straßenbahn anzusprechen und sie zu beten, sie nach ihrem Beziehungsstatus zu fragen. Einfach weil sie`s kann.

Sonja Weichand wuchs in Würzburg auf und studierte hier Literaturwissenschaft und Geschichte. Sie arbeitete sechs Jahre als Regieassistentin und Regisseurin am Theater Augsburg und Theater Vorpommern. Seit 2016 ist sie selbstständige Autorin und ist nach drei Jahren in Berlin letztes Jahr in ihre Heimatstadt zurückgekehrt. Neben vier veröffentlichten Theaterstücken schreibt sie Gedichte, Kurzgeschichten und Satiren. Aktuell arbeitet sie an ihrem neuen Roman, der unter anderem in Würzburg spielen wird. An der Universität Würzburg leitet sie außerdem den Kurs „Literarisches Schreiben“.

Mehr Infos auf sonjaweichand_autorin bei Instagram oder unter sonjaweichand.com.

Crosscamp – Eine Fahrt ins Blaue

Alltagsauto? Wohnmobil? Beides! Voilà: Das neue Campingbus-Konzept Crosscamp. Keine fünf Meter lang, nicht mal zwei Meter hoch, extrem handlich, trotzdem viel Platz und erstaunlich genügsam in Sachen Spritverbrauch. Kurz gesagt: DIE perfekte Homebase für einen spontanen Liebe-Nachbarn-Trip ins Blaue…

Apropos spontan. Okay, eigentlich habe ich gerade sehr viel zu tun (zum Beispiel dieses Magazin fertig gestalten) und dementsprechend ziemlich wenig Zeit. Aber eine Woche spontan den neuen Crosscamp testen, viel erleben (und natürlich auch etwas arbeiten) hört sich einfach zu verlockend an. Los geht’s! Wen nehm ich mit? Meine Schwester Britta hat spontan Zeit und Lust – und schon stehen wir Montagfrüh auf der Matte, um in Isny im Allgäu unser temporäres Zuhause auf Rädern abzuholen. Letzteres wird auch hier umgebaut – Basisfahrzeug ist ein Toyota Proace, der in Isny zum Crosscamp veredelt wird. Wir sind gespannt.

Wir fahren ins Blaue, lassen uns von unserem Bauchgefühl leiten, haben keine Campingplätze reserviert, pfeifen auf Google Maps und greifen stattdessen – ganz oldschool – zur Straßenkarte. Schon nach wenigen Kilometern stellt sich das vielbeschworene Freiheitsgefühl eines Campers ein. Wir haben alles an Bord, was wir brauchen und lassen uns nicht hetzen – weil wir zwar eine Menge sehen, uns aber auch erholen möchten.

First stop: Schweiz. Am Thuner See nahe Interlaken machen wir unseren ersten Halt. Der See ist türkis, kristallklar und eiskalt. Wir können es glauben, ohne Buchung noch einen der vorderen Stellplätze am Wasser erhascht zu haben. Ein guter Start, das Glück scheint uns hold.

Im Handumdrehen ist das wunderbar praktische Hochdach ausgeklappt. Britta liest oben ein Buch, während ich eine Etage weiter unten am Laptop arbeite. Das klappt in dem Bus erstaunlich gut: Man sitzt bequem am Tisch, legt die Füße auf den Sitz gegenüber, kann oben aus dem Dach hinausblicken und sich – was man als Selbstständiger ja bekanntlich auch gerne tut – perfekt ablenken lassen. Ein schnelles LTE-Netz scheint im Ausland selbst in den entlegensten Winkeln zu existieren. Das Bürotelefon ist auf mein Handy umgestellt … was will man mehr?

IN DER SCHWEIZ SOLLTE MAN LIEBER KOCHEN
Britta testet die eingebaute Campingküche: Wir haben einen Gasherd mit zwei Kochstellen, einen Kühlschrank plus Kühlbox zwischen den beiden Vordersitzen sowie ein Handwaschbecken, jede Menge Stauraum, Schubladen, Schränke und Co. Umso besser, das Chaos lauert beim Campingurlaub erfahrungsgemäß schließlich überall.

Erste Station: Interlaken am Thuner See

Unser persönliches Highlight des Crosscamp ist aber definitiv das Aufstelldach: Wenn man es per Reißverschluss öffnet, hat man das Gefühl, nachts im Freien zu schlafen; der Kopf ist durch die Seitenwände bestens vom zugigen Bergwind geschützt und der Blick schweift in die sternklare Nacht hinaus. Ich habe tatsächlich selten so tief geschlafen. Da müssen sich Hotels und Ferienwohnungen echt warm anziehen.

Wieviel kann man in eine Woche Campen reinpacken?

STADTTRIP IM CAMPER
Frühmorgens geht es weiter Richtung Genfer See. Wir fahren durch die winzigen Gassen eines winzigen Städtchens oberhalb des Lac Lémans und sind heilfroh, hier mit einem kompakten Fahrzeug unterwegs zu sein. Auch im turbulenten Genfer Feierabendverkehr erweist sich die Wendigkeit des Campers als überaus hilfreich. Tiefgarage? Kein Problem! So macht ein Städtetrip Spaß. Einziger Wermutstropfen: Burger für 25 Fränkli, das kleine Bier 9 Fränkli.

Kleines Dorf oberhalb des Genfer Sees.

Tags darauf statten wir mittags der schnuckligen Schwei-zer Stadt Annecy einen Besuch ab, lassen uns durch die verwinkelten Gässchen treiben und machen uns dann auf Richtung Provence. Dort verzaubert uns Avignon für einen Abend und eine Nacht. Wir schlendern durch die Altstadt, spielen Gitarre, trinken Wein und schon ist schon wieder Mitternacht an unserem wunderbaren Stellplatz direkt am Fluss.

Am nächsten Morgen lautet unser Ziel: Côte d’Azur. Wir steuern zunächst den kleinen Küstenort Cassis an. Hier warten die sogenannten Calananques darauf, von uns erwandert zu werden: Das sind verwinkelte Meerarme in felsigem Gestein, die uns am Ende der Wanderung mit paradiesartigen Sandbuchten belohnen. Ein wunderbares Fleckchen Erde.

Traumstrand: Nikkibeach bei St. Tropez.

LANDYACHTING
Nächster Stopp auf unserer Route ist Ramatuelle bei St. Tropez. Am sagenumwobenen Strand Pampelona, dem Hotspot der Reichen und Schönen, ergattern wir einen Stellplatz in Strandnähe. Hier, zwischen dem LeClub 55, in dem Brigitte Bardot ein und ausging, und dem Nikkibeach-Club, zu dem die Hautevolee mit Helis von den Yachten eingeflogen wird (und in dem man durchaus mal für eine Flasche Rotwein 1.000 Euro latzen kann), gibt es trotzdem immer noch wunderschöne Strandabschnitte für Normalsterbliche: Mit weißem Sand und azurblauem Wasser. Auch wenn uns nonstop klunkerbehangene russische Möchtegern-Influencerinnen mit zugehörigem Instagram-Husbands die Aussicht verstellen, bleiben wir auf dem Boden der Tatsachen: Britta hängt am Abend ihre handgenähten Röcke auf die Wäscheleine und vertraut darauf, dass es doch noch irgendwo so etwas wie Geschmack gibt. Kleiner Tipp am Rande: Die liebevoll designten Einzelstücke könnt Ihr am 13. Oktober beim Artbrew-Markt auf dem Bürgerbräu-Gelände bestaunen und erwerben.

Tags darauf geht’s an der Küste entlang bis ins italienische Laigueglia: ein kleiner, quirliger Ort mit toller Altstadt, bekanntem Jazzfestival – und einem Campingplatz mitten in der City. Hier bekommen wir tatsächlich nur den allerletzten Stellplatz, weil unser Crosscamp so wendig ist und wir auf dem Mini-Campingplatz so gut rangieren können

VIELSEITIG
Der Crosscamp erstaunt uns tatsächlich immer wieder mit seiner Vielseitigkeit. Man kann in der ersten Etage unter dem Aufstelldach schlafen oder unten die Rücksitze zu einer Doppelliegefläche umklappen und sich dort vom Reisetrubel erholen. Vor allem bei hochgeklappten Bett oben ist das Raumgefühl unten fantastisch. Der Camper zeigt sich innen viel größer als man es von außen vermutet, gerade auch dank des Dachfensters. So fällt uns auch bei schlechtem Wetter drinnen nie „die Decke auf den Kopf“. 

Work & Travel, aber vor allem Travel.

Apropos: Am nächsten Tag meldet der Wetterbericht für nahezu ganz Europa Dauerregen. Also machen wir uns wieder auf den Weg Richtung Norden; eine lange Etappe bis nach Österreich liegt vor uns. Es schüttet wie aus Kübeln – und trotzdem bekommen wir kurz vor dem San Bernardino Lust auf Kurven. Wir entscheiden uns also spontan für die abenteuerliche Passroute über das Bergmassiv. Mal sehen, wie sich unser Crosscamp dabei schlägt. Kurz gesagt: fast wie ein Pkw. Souverän nehmen wir die engsten Serpentinen und absolvieren auch steilere Abschnitte problemlos. Auf dem gesamten Pass begegnet uns gerade mal ein anderes Auto. Das Thermometer fällt auf frostige 3 Grad Celsius. Nach den durchschnittlich 30 Grad der letzten Tage eine willkommene Abkühlung. Die Luft ist so rein und erfrischend, dass wir mitten im Regen anhalten und erstmal eine kleine Runde laufen. Letzte Schneefelder liegen noch entlang des Weges, die Szenerie wirkt ebenso gespenstisch wie überwältigend.

SO SCHÖN, SCHÖN WAR DIE ZEIT
Nach einer regnerischem Nacht im österreichischem Feldkirch, geben wir am nächsten Tag, nach fast 3.000 Kilometern, unseren mittlerweile sehr liebgewonnenen Camper wehmütig wieder in Isny ab. Trotz der enormen Strecke halten sich die Spritkosten erstaunlich in Grenzen. Budgetbewusste Campingfans werden mit dem Crosscamp also auf jeden Fall ihre helle Freude haben – auch wegen des vergleichsweise günstigen Anschaffungspreises, der mit 43.000 Euro in der Grundausstattung weit jenseits der teils astronomischen Preise liegt, die in diesem Segment so abgerufen werden. In diesem Sinne: Gute Reise:-)                    
          Text & Fotos: Nico Manger

Aus Zeit

Jeder braucht sie einmal, irgendwann einmal. Nicht jeder nimmt sie sich, nicht jeder kann sie sich nehmen. Dabei erwischt sie nicht nur Menschen oder Tiere, sondern manchmal auch Maschinen, die Auszeit.

Menschen sprechen von Urlaub oder Reha, wenige reden von Therapie. Tiere verpuppen sich, bevor es weitergeht oder schlafen ganze Jahreszeiten durch und für Maschinen bleibt meist nur der Defekt. Während manche Radiosender noch ihre Sendepause pflegen, wurde im Fernsehen das letzte Testbild Ende der Neunziger ausgestrahlt und seither herrscht der Dauerbetrieb. Klar, spät nachts laufen Wiederholungen oder Werbesendungen ohne nennenswerten Unterschied zu Testbildern, dennoch pausenartig. Und das Internet? Hat keine Pause, braucht keine und darf auf keine haben, ist immer an.

Immer und überall abrufbar, zu jeder Tages- und Nachtzeit und an fast allen Orten der Erde. Von den Downtimes einmal abgesehen, also Zeiten, in denen mobile und stationäre Internetzugänge keinen Datendurchsatz liefern. Diese, wenn auch seltenen Vorkommnisse, verursachen umgekehrt proportional zu ihrer Häufigkeit enorme Emotionsspitzen. Skandalträchtig befeuert durch Meldungen, dass das Internet zu dieser und jener Zeit und an diesem und jenem Ort für X-Minuten nicht zu erreichen war. Solch stark einheitliche Emotionen birgt sonst nur die Übertragungsunterbrechung einer Fußball-WM, der Männer, versteht sich.

Das Internet hat demnach keine Auszeit und es hat auch kein Recht darauf. Und wenn es ein Anrecht hätte, dann gingen wir alle, dann ginge die Menschheit vor die Hunde, denn wenn Youtube, Spotify, Instagram und Twitter nicht jederzeit erreichbar sind, dann passiert wahrscheinlich…nichts. Zumindest nicht zwangsläufig etwas Fürchterliches. Mal abgesehen davon, wie es zu so einem Ausfall gekommen sein könnte, was würde denn wirklich passieren wenn das Internet sich eine Auszeit nimmt?

Zunächst einmal, kann man nichts mehr googlen und keine Straßenkarten mehr aufrufen, man kann auch keine Routen mehr berechnen lassen und auch nicht mehr nachschauen, wann der Bus fährt. Man kann auch nicht mehr online-shoppen, parallel hunderte Anbieter nach dem billigsten Angebot durchforsten oder den Tankstellen-Liveticker für lokale Spritschnäppchen verfolgen. Keine E-Mails mehr, keine Skype-Konferenzen und auch keine Chats oder Benachrichtigungen mehr. Keine Bilder von Freunden und Freundesfreunden, keine Likes und keine Empfehlungen mehr, was man lesen oder besser noch kaufen soll. Die Liste wird länger und länger und auf ihrem Rücken sitzt die Zeit, emotionslos und ermattet.

Ja, aber will man, will denn irgendjemand darauf verzichten? So oder so ähnlich schallt einem meist die erste oder lauteste Frage entgegen. Wahrheitsgemäß: Nein. Oder vielleicht doch, egal wie man antwortet, in diesem Fall lohnt der Blick zurück.

Straßenkarten gibt es noch immer in gedruckter Form, Busfahrpläne und Kochrezepte auch und zum Reisen existieren einige, sehr sehr wenige Reisebüros. Das Wetter gibt´s im Radio oder Fernsehen und sogar Zeitungen werden noch gedruckt. Ein Leben ohne Internet scheint immer noch möglich, wenn auch in manchen Bereichen umständlicher aber dennoch möglich. Vielleicht auch in manchen Situationen zeitraubender, doch fallen auf der Schuldenseite viele kleine Zeitfresser-Apps weg und schon wird die Bilanz undurchsichtiger. Tickets müssten wieder ausgedruckt werden und für Druckerpatronen müsste man wieder in einen Laden anstatt sich auf den hageren Paketboten zu verlassen. Der sieht sowieso in letzter Zeit immer schlechter aus, wahrscheinlich familiäre Probleme oder Alkohol. Man kennt das ja.

Für den Video-Abend müsste man in die Videothek oder gleich ins Kino und für neue Musik müsste man in den Musikladen, sich CDs raussuchen und, wenn man sie nicht alle gleich kaufen will, auch noch Probehören. Das Leben würde wieder analoger werden und wahrscheinlich müsste man sich sogar physisch ab und an mit Freunden treffen um nicht gänzlich zu vereinsamen – analog zu vereinsamen. Ganz ohne Like-Button oder Kommentarfunktion (dem inoffiziellen Dislike-Button), dafür aber mit Gerüchen und Stimmungen und allem Drumherum.

Ebenso, wie man heute an einem halben Tag um die halbe Welt reisen kann, und ebenso, wie heute jeder Ton eines Liedes irgendwann online abrufbar ist, so bezahlt auch jeder von uns einen Preis für dieser übervolle Wundertüte der Möglichkeiten. Alles im Leben hat seinen Preis, floskelt es sich so schön, und der Preis für das Internet lautet: Bewusstsein.

Man kann dem Internet eine Pause schenken, indem man offline geht oder sich den Neuerungen entsagt. Smartphone und mobile Daten, Streamingdienste und Social Media, all das kann man ohne Weiteres vermeiden. Man kann aber auch den Spieß umdrehen. Es finden sich Seiten im Netz, da wirkt es so, als seien die Rollen vertauscht und nicht mehr eindeutig klar, wer hier aktiv ist und wer jetzt pausiert.

Es gibt einige testbildartige Angebote, die meist grafisch einen Verlauf darstellen. Es gibt eine Echtzeitanzeige der meist gegoogelten Begriffe, nach Ländern sortiert und in Form eines Globus. Es gibt eine Anzeige für Blitzeinschläge, ebenfalls global und es gibt Darstellungen über die Gesamtpopulation der Erde, mit Geburten- und Sterberate, den Wasserverbrauch, den Verlust an Wald und die Zahl an Menschen, die jeden Tag an Hunger sterben. Es gibt Visualisierungen darüber, wie viele Bäume täglich gerodet und gepflanzt werden und wieviel Tonnen Plastik aus Meeren und Flüssen geborgen werden gegenüber den Tonnen, die wir den Gewässern zuführen. Viele Zahlen, viele Informationen für wenig Zeit, aber jeder kann selbst bilanzieren. Jeder kann sein eigenes Testbild wählen und womöglich zahlt dann das Internet die Zeche. Egal, wie die Bilanz für den Betrachter ausfällt, Bewusstsein muss nicht immer verloren gehen.

Es gibt auch Seiten, auf denen nie ganz klar ist, wer Rechnungen stellt und Preise bezahlt. Oftmals sind das Seiten, die Konsum sekundär behandeln oder ganz außen vor lassen. Manche wollen informieren oder eine Erinnerung bewahren. Die Homepage des Voyager-Projekts der NASA ist so ein Ort. Dort gibt es Spalten und Zahlen, und ein paar wenige Bilder. Viele der Zahlen ändern sich unablässig, allen voran die Entfernung zur Erde und zur Sonne, die Geschwindigkeit und die Dauer für die einfache Übertragung eines Signals zu den Sonden. Zusätzlich gibt es sehr einfach gehaltene ON/OFF Schaltflächen für Messinstrumente, bei denen sich nur sehr selten etwas ändert, und wenn dann nur in eine Richtung: OFF. Energie ist die wichtigste Ressource an Bord geworden und die Forscher schalten immer mehr Instrumente ab, um möglichst lange zu kommunizieren. Wenig spektakulär auf den ersten Blick, doch hinter den Zahlen entstehen Fragezeichen, hinter dem Wunsch nach Kommunikation entsteht etwas Größeres, etwas Übergeordnetes. Lässt man sich darauf ein, beginnt die Auszeit…

Im August 1977 haben die Menschen diese Sonden auf die Reise geschickt. Auf dem Weg aus unserem Sonnensystem, wurden Planeten untersucht, Messungen absolviert und Bilder zur Erde geschickt. Die Ingenieure steuerten die Sonden so, dass diese die Gravitation der Planeten ausnutzten und Schwung holen konnten, um den weitaus längeren Teil der Reise zu beginnen. Seit 1981 befinden sie sich nun auf unterschiedlichen Kursen, die eine vorbei an Uranus und Neptun, die andere auf direktem Weg hinaus aus unserem System. Voyager 1 hat 2012 und Voyager 2 im Jahr 2018 dieses Ziel erreicht, den interstellaren Raum. Jetzt sind sie wieder vereint, wenn auch unvorstellbar weit voneinander entfernt. Sie sind, die am weitesten entfernten Objekte, die von Menschenhand gefertigt wurden und jede Stunde werden es 60.000 km mehr. Irgendwann soll sie dieser Kurs und diese Geschwindigkeit zumindest in die Nähe anderer Sterne bringen.

Wenn man davor sitzt, ist es nichts anderes als ein Gedankenmodell und viel zu abstrakt um es zu greifen und doch, tragen diese Sonden nichts weniger als die Ideen und Hoffnungen der Menschheit bei sich. Sie sind unsere Botschafter. Sie sind die Delegation ohne Widerkehr und sie sollen Kontakt aufnehmen – mit wem oder was auch immer. Die Messinstrumente funktionieren nur noch wenige Jahre, die Kommunikation vielleicht noch bis 2036. Den eingeschlagenen Kurs werden sie ohnehin weiter verfolgen, womöglich abgelenkt, womöglich zerschellt auch eine Sonde an einem anderen Objekt im All. Theoretisch aber, fliegen diese Sonden noch Jahrtausende durch die Galaxie, und wenn die eine 40.000 und die andere 296.000 Jahre geflogen sind, erreichen sie im entferntesten Sinne andere Sternensysteme.

Kommunikation mit der Erde ist dann unmöglich aber sie tragen Informationen bei sich, auf vergoldeten Kupferplatten. Herzklopfen, Vogelgezwitscher und Meeresrauschen bringen sie mit, zusammen mit Grußbotschaften und einer Positionsangabe der Erde. Menschengemachte Musik, von Beethoven über Mozart bis hin zu Chuck Berry. Zehntausende Jahre könnte es dauern, bis die Nachricht übermittelt wird oder niemals. Es könnte der erste Funke einer Kommunikation sein oder ihr letztes Glimmen.

Der damalige US-Präsident Jimmy Carter durfte als einer der wenigen, eine persönliche Grußbotschaft mitschicken. Seine Zeilen stammen aus einer anderen Zeit, vielleicht sogar aus einer anderen Epoche der Menschheit und dennoch wirken seine Worte aktueller denn je: “This is a present from a small distant world, a token of our sounds, our science, our images, our music, our thoughts and our feelings. We are attempting to survive our time so we may live into yours.” *)

An einem schlechten Tag, fragt man sich, wann und nicht ob die Erde sich eine Auszeit nimmt…an einem guten Tag haben wir immerhin schon 42 Jahre geschafft.

*) „Dies ist ein Geschenk einer kleinen, weit entfernten Welt, eine Probe unserer Klänge, unserer Wissenschaft, unserer Bilder, unserer Musik, unserer Gedanken und unserer Gefühle. Wir versuchen, unser Zeitalter zu überleben, um so bis in Eure Zeit hinein leben zu dürfen.“

Text: Michel Mayr; schnurrzpiep.de

Nullsummen Spiel

Eine Ode ans Flanieren.

Ich begebe mich in die Stadt. Mit einem Plan. T-Shirts, ich bräuchte ein paar T-Shirts. Im entsprechenden Laden angekommen, sehe ich jedoch, dass mehrere Mitmenschen wohl denselben Plan gefasst haben. Noch bevor ich mich fragen kann, warum sie T-Shirts kaufen wollen, obwohl doch ihre Hosen viel zu kurz sind, mache ich kehrt, um billiges Männerdeo gegen Frischluft zu tauschen.

Plansoll nicht erfüllt bei simultanem Zeitüberschuss. Wie damit umgehen als herumgehen, denke ich bei mir, bevor ich, schon etwas weniger denkend, Schritte setze. Ich blicke in verschiedene Gesichter, Gesichter von schönen Menschen, die sich für hässlich halten – und hässlichen Menschen, die sich für schön halten, studiere Auslagen, um sie wieder zu vergessen. Schritt für Schritt für Schritt. Hier eine schimpfende Mutter, dort ein paar ungelenke Pubertiere mit zu großen Nasen und Schuhen, Fleischkäsgeruch, dann Lagerfeld … der ist ja jetzt auch tot … was hat der nochmal über Jogginghosen gesagt …? Junge Frauen mit unfassbar hässlichen Goldrandbrillen und heraufgezogenen weißen Socken … hier muss irgendwo eine riesige Bad-taste-Party sein … wo bin ich eigentlich grade … unwichtig, es riecht nach Kaffee. 2,20 für einen Espresso, war auch schonmal billiger … was die wohl am Tag verdienen mit ihrer Plörre … warum können die nicht, was jeder italienische Autogrill kann …?

Aber trotzdem schön, hier kurz zu stehen, ein Zigarettchen zu rauchen und Espresso zu trinken. Und zu schauen. Auf Nichtraucher, die eigentlich gern rauchen würden. Auf die schimpfende Mutter von vorher, die jetzt ins Telefon schimpft; ein Autoprolet lässt seinen AMG aufheulen … was der wohl macht, wenn er allein im Bett liegt … vielleicht weint er leise beim Masturbieren …? Nein, so darfst du nicht denken … oder irgendwie doch. Doch, heute darf ich das. Denn ich flaniere.

Ja, in der Tat, ich bin in den Flaniermodus geraten. Was für ein Glück. Sie sind selten geworden, die Flaneure … eigentlich findet man sie fast nur noch in Jahrhundertwende-Romanen. Dabei ist es die wohl schönste Nichttätigkeit der Welt. Als säße man in einem Boot und beobachtete von dort aus leicht mitleidig das hektische Treiben am Ufer, dessen unmelodisches Rauschen sogar vom leisen Plätschern des Wassers an die Bootswand übertönt wird. Warum ist diese eigentlich so leichte Kunst derart in Vergessenheit geraten? Vielleicht, weil sie gar nicht (mehr) so leicht von der Hand, oder besser, vom Fuße geht? Vielleicht, weil immer mehr von uns verzweifelt versuchen, ihrer Existenz Sinn einzuhauchen? Aus Furcht, in unverplanter Zeit die – eigentlich doch so herrliche – Sinnlosigkeit ihres Daseins zu erfahren, holen sie sich Zeitfresser ins Leben. Schwierige Partner zum Beispiel oder/und Kinder oder/und Einfamilienhäuser. In Letzteren funktioniert zwar alles elektrisch, aber dafür bleibt ja wieder mehr Zeitfresszeit, um die Kinder zu möglichst unselbstständigen Menschen zu erziehen, sich über zu schwere Abiturprüfungen oder fleisch(!!)fütternde Konkurrenzeltern zu beschweren.

Mit steigendem Alter und sinkender Bedeutung für den Nachwuchs, der sich längst mit Hingabe dem Zeitfresser Smartphone widmet, bieten im Anschluss die Baustellen Körper und/oder Selbstwert wiederum herrliche Zeitfraßoptionen. SUVs und Sportwagen, in stetiger Kreisbewegung durch die Stadt bzw. vors Café gefahren, lassen männliche „Abwärtstrends“ beziehungsweise teure Stiefel, Sonnenbrillen und Gesichtsschmiere weibliche Baufälligkeiten für kurze Momente vergessen. Dennoch piekst es in den wenigen unkontrollierten Augenblicken immer wieder kurz durch, das Nichts, wie ein kleiner Nadelstich ins Designerkissen – und schmerzt von Jahr zu Jahr mehr. Je länger man sich ihm widersetzt, desto schlimmer piekst es. Dabei wäre das Nichts doch so gern unser Freund, würden wir es einfach akzeptieren.

Schließlich passt kaum etwas besser zusammen als unser im Kern doch relativ sinnfreies, weil letztlich stets irgendwie selbstreferenzielles Dasein und das Nichts selbst. Ob sieben oder elf Milliarden mal null, heraus kommt immer null. Denk ich so bei mir, Schritt für Schritt für Schritt. Denke, dass es für all diese Annahmen sicher stichhaltige philosophische Gegenthesen gibt, die meine Annahmen aufheben – so wie sich letztlich alles aufhebt und doch wieder zu null wird. Denke, wie angenehm wurscht mir das ist. Denke, ich sollte (mir) viel öfter Nichts draus machen. Und denke, ich habe noch ziemlich viel
Zeit dazu – na, wenn das Nichts ist …

Verkehrsunfall, was tun?

Zum Start in den Herbst haben Autofahrer häufig mit geänderten Witterungsverhältnissen zu kämpfen. Glatte Straßen aufgrund Laubbefalls, schlechte Lichtverhältnisse, vermehrter Wildwechsel stellen im Straßenverkehr einige Herausforderungen dar, die es zu bewältigen gilt.

 

Hierbei kommt es immer wieder zu Verkehrsunfällen, die für viele Autofahrer einige Fragen aufwerfen. Wie muss ich mich bei einem Verkehrsunfall verhalten? Was muss ich bei einer möglichen Unfallregulierung beachten? Wie verhalte ich mich gegenüber möglichen Unfallbeteiligten, wie Fahrzeughalter, Fahrer und Haftpflichtversicherern? Welche Angaben sollte ich bzw. muss ich machen? Die Experten von REITMAIER Rechtsanwälte geben Tipps, die bei der Unfallabwicklung hilfreich sein können.

Austausch der Personalien

Notieren Sie sich zunächst unbedingt die Personalien (Name und Anschrift Fahrzeugführer, Name und Anschrift Fahrzeughalter, amtliches Kennzeichen der Fahrzeuge, wenn bekannt Haftpflichtversicherungen der Fahrzeuge Ihres Unfallgegners). Dies gilt vor allem dann, wenn Sie sich dazu entschließen, die Polizei nicht zu verständigen. Unterschreiben Sie vor Ort nichts. Lassen Sie sich ein Ausweisdokument zeigen.

Wie lange muss ich an der Unfallstelle warten?

Wie lange, das hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (z. B. Tageszeit, Ort und Schwere des Unfalls). 30 Minuten sollten jedoch nicht unterschritten werden. Kommt in dieser Zeit niemand, so dürfen Sie sich entfernen, müssen aber Namen und Anschrift am Unfallort hinterlassen. ACHTUNG: Trotzdem müssen Sie zusätzlich einer nahegelegenen Polizeidienststelle unverzüglich Meldung machen. Dabei müssen Sie auch Ihre Anschrift, Ihren Aufenthalt sowie das Kennzeichen und den Standort Ihres Fahrzeugs angeben – und auf Wunsch die nötigen Feststellungen ermöglichen.

Sicherung von Beweismitteln

Vertrauen Sie Ihrem Unfallgegner nicht, auch wenn Ihnen die Unfallgegnerin oder der Unfallgegner noch so sympathisch ist. Denn Vorsicht ist besser als Nachsicht: Sobald Ihr Unfallgegner zu Hause sitzt, könnte er sich die Sache anders überlegen und Ihnen die Schuld zuschieben. Verzichten Sie nie auf die Sicherung der Beweismittel: Fertigen Sie Fotos (im Detail und in Übersicht) und fragen Sie Zeugen nach deren Kontaktdaten (Anschrift und Telefonnummer). Sofern möglich, fertigen Sie eine Unfallskizze an.

Muss ich die Polizei verständigen?

Grundsätzlich ist die Polizei nicht für die Klärung zivilrechtlicher Fragestellungen (Haftung, Schuld) zuständig. Bei Unfällen mit Toten, Verletzten und erheblichem Sachschaden sollten Sie jedoch immer die Polizei rufen. Steht ein Unfallbeteiligter unter Alkohol oder Drogeneinfluss, ist ebenfalls die Polizei zu verständigen. Lässt sich die Identität eines Beteiligten nicht feststellen (Unfallbeteiligter lebt im Ausland, Fahrzeug im Ausland zugelassen), sollte ebenso die Polizei verständigt werden. Zudem dient die polizeiliche Aufnahme des Unfalls der Sicherung von Beweismitteln. Sollte im Rahmen der Schadensregulierung der Unfallhergang bewiesen werden müssen, kann der Unfallbericht der Polizei eine enorme Hilfe darstellen.

Sollte ich mich auf die gegnerische Haftpflichtversicherung verlassen?

Nein! Es empfiehlt sich nicht, im Rahmen der Schadensabwicklung auf das Wort der gegnerischen Versicherung zu vertrauen. Diese ist ausschließlich daran interessiert, Kosten zu sparen. Dies wirkt sich meist zu Ihrem Nachteil aus.

Muss ich meine eigene Haftpflichtversicherung bzw. Teil- oder Vollkaskoversicherung verständigen?

Sollte dem Unfallgegner ebenfalls ein Schaden entstanden sein, sind Sie als Versicherungsnehmer verpflichtet, einen Fremdschaden Ihrer Haftpflichtversicherung zu melden. Denn als Versicherungsnehmer trifft Sie die Pflicht, den Sachverhalt mit aufzuklären, insbesondere dann, wenn der Schadensfall zur Eintrittspflicht Ihrer Haftpflichtversicherung führt, beispielsweise bei wechselseitigem Verschulden der Unfallbeteiligten. Daneben besteht auch die Möglichkeit, gegebenenfalls die eigene Teil- bzw. Vollkaskoversicherung in Anspruch zu nehmen. Hat jedoch der Unfallgegner den Schaden alleine verschuldet, sollte derselbe zunächst bei der gegnerischen Haftpflichtversicherung geltend gemacht werden, die für die Schadensverursachung ihres Versicherungsnehmers einzustehen hat.

Benötige ich einen Rechtsanwalt, wenn ich nicht schuld bin?

Wenn Sie den Unfall nicht verschuldet haben, ist die gegnerische Haftpflichtversicherung verpflichtet, die Anwaltskosten zu tragen. Sie können daher selbstverständlich professionelle Hilfe in Anspruch nehmen und die Schadensregulierung durch einen Anwalt vornehmen lassen. Er kümmert sich sodann um Telefonate und Schriftverkehr und tritt mit Versicherern, Behörden und anderen Unfallgegnern in Kontakt. Er nimmt Ihnen also diese Last ab, so dass Sie sich wieder auf Wichtigeres konzentrieren können. Der Anwalt unterstützt Sie bei der Durchsetzung Ihrer Rechte und geht unter anderem gegen unberechtigte Kürzungen der gegnerischen Haftpflicht vor. ACHTUNG: Bitte vermeiden Sie unbedingt den Fehler, sich noch an der Unfallstelle mit dem Gegner zu „einigen“ und Bargeld zu übergeben. Damit begeben Sie sich meist in „Teufels Küche“. Häufig befürchten Unfallbeteiligte, sie könnten Nachteile wie etwa steigende Beitragshöhe der eigenen Versicherung oder höhere Reparaturkosten erleiden. Hierbei handelt es sich aber um populäre Irrtümer, die leider in der Bevölkerung immer noch weit verbreitet sind. In aller Regel sind die Unfallbeteiligten jedoch nicht in der Lage, die Höhe der zu erwartenden Reparaturkosten und die rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen zutreffend einzuschätzen. Hierfür bedarf es zwingend der Einschaltung von „Profis“, etwa Sachverständigen und Rechtsanwälten. Sollte den Unfallgegner ein alleiniges Verschulden treffen, hat dessen Haftpflichtversicherung neben den Kosten eines von Ihnen beauftragten Anwalts auch die Kosten für die Einholung des Sachverständigengutachtens zu tragen.

Nehmen Sie daher professionelle Hilfe in Anspruch, um eine für Sie optimale Unfallregulierung erzielen zu können.

Auch die Experten von REITMAIER Rechtsanwälte unterstützen Sie gerne bei der Unfallabwicklung. Nach einem Verkehrsunfall können Sie sich jederzeit mit der Kanzlei in Verbindung setzen – man wird sich dann sofort um Ihren Fall kümmern.

Die Experten von Reitmaier Rechtsanwälte beraten und vertreten auf dem Fachgebiet des Bank- und Kapitalmarktrechts, Strafrechts/Compliance, Wirtschafts- und Arbeitsrechts sowie Veranstaltungsrechts. Ein Team von sechs Anwälten berät Unternehmen sowie Privatpersonen zu rechtlichen Belangen.

I don´t care as long as I sing

Wie ich einst auszog, um meine Musiklehrerin Lügen zu strafen (und dabei zufälligerweise ziemlich viel Bier zu trinken).

 

„Ihr müsst an der Stelle eine kleine Terz einfädeln, sonst
klingt das schepps“, erklärt der Typ in der Mitte. Klar, die kleine Terz einfädeln, hätt ich auch selbst drauf kommen können. Ist das dann so ähnlich wie der Schirm, der beim Solo von Pink Floyd’s Comfortably Numb in uns aufgehen soll? Oder oktavieren wir das lieber entsprechend? Wie auch immer: Ich versteh nur Bahnhof, nehm einen kräftigen Zug (haha) aus der Bierflasche – und hol ganz tief Luft …

IT´S TIMES LIKE THESE …

Es sind Momente wie diese, in denen ich mich immer wieder frage, was zum Geier ich hier mache: Mitten unter der Woche, mitten in der Stadt in einem leicht muffigen Keller entdecke ich – mitten in meinen Dreißigern – plötzlich, dass es ganz schön viel Laune macht, sich mitten unter der Woche mitten in der Stadt in einem leicht muffigen Keller mit ehemals wildfremden Leuten zu treffen, um sich gemeinsam die Seele (oder was davon eben übrig ist) aus dem Leib zu singen. Singen. Ich und singen – ausgerechnet. Drei mal Terz geteilt durch fünf Oktaven mal Wurzel aus Tenor ergibt … kurz nachrechnen … hab’s: Bier!

DOWN IN THE PAST

„Thomas, wir warten“, sagt Frau Schuster mit ihrer typischen Besserwisser-Stimme, in der wie üblich ein klein wenig Sadismus mitschwingt. Ich bin zwölf – und stehe an der Tafel, im Musikunterricht. Die Kreide zittert in meinen Händen, Frau Schusters Brille liegt auf ihrer Nasenspitze, ihre stechend blauen Augen blitzen darüber hervor. Die Kreide bricht ab. Meine Mitschüler beginnen zu lachen. „Na … und … die Tonleiter …?“. Es sind Momente wie diese, in denen Kinderherzen ähnlich porös werden wie der Kreidestummel in meinen schwitzigen Händen. „Na gut, setz dich. Musik ist offensichtlich nix für dich.“ Ich setze mich – und legte sämtliche musikalischen Aktivitäten für die nächsten Jahre entmutigt beiseite. Danke für nichts, Frau Schuster! Dass ich den Großteil meiner Jugend fortan mit gewaltverherrlichenden Ego-Shootern zubringen sollte und bis heute beim Refrain des Ramones Hit „Blitzkrieg Bop“ manchmal singe „Hey ho, let’s go, Schuster in the back now“, hat mit diesem traumatischen Erlebnis sicher überhaupt nichts zu tun.

FAST FORWARD

In dem Woody-Allen-Streifen „To Rome with love“ entdeckt ein italienischer Bestatter, dass er unter der Dusche ziemlich hervorragend singen kann, auf der Bühne aber keinen Ton trifft. Die logische Konsequenz: Man platziert ihn in einer Duschkabine mitten in einem großen Opernsaal, wo er mit herzzerreißenden Arien beim Publikum Begeisterungsstürme entfacht. Stellte man mich in so eine Duschkabine und gäbe man mir nur das vergleichsweise einfachere „Heut kommt der Hans zu mir freut sich die Lies“ zu singen, könnte man nach wenigen Takten vermutlich die Dienste des italienischen Bestatters ziemlich gut gebrauchen. Meinetwegen – und des Publikums wegen. Und der Nachbarn des Opernhauses wegen. Und deren Nachbarn.

Was ich mit diesem Gedankenspiel sagen will: Singen und ich – das harmonierte viele Jahre ungefähr so gut wie … Liam und Noel Gallagher. Oder … Madonna und der Eurovision Song Contest. Oder Bayern 3 und … Musik im allgemeinen. Kennt ihr die Szene aus dem Bundestag, in der Andrea Nahles (Gerhard Schröder habe sie selig) das Pipi-Langstrumpf-Lied verbricht? Das bin ich – als Mann. Auf Koks. Und doch finde ich mich heute wöchentlich im Tenor des Würzburger Kneipenchors wieder. Beim punky Einstudiern eines alten The-Doors-Hits, dem energetischen Rap-Part des RHCP-All-time-Favourites „Can’t Stop“, einem verdammt hohen Refrain eines Ärzte-Songs – oder eben dem Einfädeln der vermaledeiten Terz bei Depeche Mode‘s „Everything Counts“. Was war also mit mir geschehen?

MUSIC WAS MY 23RD LOVE

Um es kurz zu machen: Nix. Ich hab’s einfach getan. Luft rein, Brust raus – und der Rest? Ist jetzt vielleicht kein großes Musik-Kino, aber auf jeden Fall meine persönliche Entdeckung der Beatles. Die typischen Alltagssorgen, sonst auf Heavy-Rotation in meinem Kopf, waren schon nach den ersten Takten in der ersten Probe ziemlich schnell abgesetzt. Es klingt kitschig (und Dr. Albern), aber ich hätte nie für möglich gehalten, welche fucking geile (um in den Worten unseres Chorleiters zu sprechen) Wirkung gemeinsames Singen entfalten kann. In your ear, Frau Schuster!

Im Zusammenspiel von Tenor, Alt, Bass und Sopran entfalten auch eher dürftig dimensionierte Stimmchen wie die meinige einen wohlfeinen Klang. Jeder gibt gesangstechnisch das, was er kann, hält sich vielleicht an jener Stelle zurück, um an anderer und möglicherweise zu seiner Stimmlage passenderer Position die Töne aus vollem Halse zu schmettern. Mit der Zeit und den nötigen Ratschlägen der Chorleiter und Coaches (allesamt Vollblutmusiker) klappt all das immer besser: Stimmeinsatz, Intonation, feinste Feinheiten entlang der einst so verhassten Tonleiter – von Mal zu Mal entfaltet sich hier eine völlig neue Welt, selbst für musikalisch eher dürftig gesegnete Menschen wie mich. Und höre da: Es klingt gar nicht mal so schepps.

SO WERTVOLL WIE EIN KLEINES BEATSTEAK

Wer ist am Ende also Schuld an der ganzen Sache? Vielleicht das auf den ersten Blick zwanglose Format eines Kneipenchors, von denen es mittlerweile landauf landab mehr gibt als Hipster-Bärte in Berlin-Mitte; möglicherweise aber auch das gar nicht mal so zwanglose und relativ durchgetaktete Üben und Wieder-Üben und Wieder-Üben von Songs, die man jahrelang scheinbar korrekt und doch himmelhochjauchzend falsch unter der Dusche zum Besten gab (sorry, liebe Nachbarn!); natürlich bringt auch das Zusammenkommen mit neuen, aufgeschlossenen Menschen ein ordentliches Gute-Laune-Plus; die gemeinschaftlich aufgenommenen Gerstensaftprodukte? Logisch! Ich schätze mal, es ist die perfekt abgemischte Mixtur aus all diesen und noch vielen weiteren Bestandteilen; also ein bisschen so wie bei einem guten Song, den man schon morgens kurz nach dem Aufwachen ums Verrecken nicht mehr aus dem Kopf bekommt. Am Ende ist es aber eigentlich auch egal, was in mir die Begeisterung für Selbstgesungenes geweckt hat. Wie es ein erlesener Zirkel an hochgeistigen Philosophen einst sinngemäß formulierte: I don’t care – as long as I sing …!

 

Heiligs Blechle

Ein grüner Oberbürgermeister – haben da nicht die Schwaben das Patent drauf? Mal sehen! Denn mit dem 43-jährigen Martin Heilig steht in Würzburg schon der nächste Grünen-Kandidat für das höchste Verwaltungsamt der Stadt in den Startlöchern. Wichtigstes Wahlkampfthema: natürlich die Würzburger Blechlawinen – und wie man sie möglichst effektiv loswird.

Herr Heilig, … Martin bitte.
Alles klar, Martin: Die Grünen befinden sich ja zurzeit auf einem – natürlich CO2-freien – Höhenflug. Bei der Europawahl im Juni war Deine Partei mit über 31 Prozent stärkste Kraft in Würzburg und die Landtagswahl 2018 hat Euch mal eben ein DirektMANDAT beschert. Ist die Zeit in Würzburg also reif für einen grünen ob?

Da muss ich erstmal ein bisschen auf die Bremse treten. Kommunalwahlen sind schon noch eine ganz andere Sache als Landtags- oder Europawahlen; aber natürlich können wir nach den letzten Ergebnissen schon ziemlich optimistisch sein, dass das nächstes Jahr klappen könnte. Unterm Strich halte ich es aber wie mein Parteikollege Winfried Kretschmann: Man muss auf dem Teppich bleiben, auch wenn er fliegt.

Direkt gefragt: Was macht der aktuelle OB Christian Schuchardt aus Deiner Sicht gut – und was weniger gut?

Ehrlichgesagt ist es nicht mein Stil, hier jetzt jemanden öffentlich zu beurteilen oder gar an den Pranger zu stellen – aber ich denke, unerledigten Aufgabenwerden relativ schnell offensichtlich, wenn man mit offenen Augen durch die Stadt läuft.

Dann mal anders gefragt: Nenne uns doch einfach drei Themenbereiche, die Du in Würzburg konkret angehen möchtest.

Erstmal ganz klar den Klimaschutz. Spätestens seit dem letzten Dürresommer ist das Thema bei weiten Teilen der Bevölkerung angekommen – weil es seitdem eben endgültig nicht mehr als abstrakt, sondern als konkret und greifbar wahrgenommen wird. Zusätzlich haben wir in Würzburg die Kessellage – wenn wir die hohe Lebensqualität hier erhalten möchten, müssen wir endlich anpacken: Wir brauchen weniger Beton und viel mehr Grünflächen, die die Stadt in heißen Sommern runterkühlen. Schaut Euch doch bloß mal die Fußgängerzone in der Eichhornstraße an: Weitsichtige Planung geht anders. Sich da bei 35 Grad aufzuhalten macht wirklich keinen Spaß. Ein nächster Punkt in diesem Zusammenhang ist ist die energetische Sanierung von städtischen Gebäuden und die flächendeckende Ausstattung mit Photovoltaik. Im Grunde gibt es für Würzburg ja bereits ein Klimaschutzkonzept, aber ich habe das Gefühl, das verstaubt irgendwo im Regal. Es muss etwas passieren!

Das Gleiche gilt für das zweite Thema, das mir auf den Nägeln brennt: Politik sollte in Würzburg für alle Bevölkerungsteile gemacht werden – ob arm oder reich, alt oder jung. Wir haben beispielsweise aktuell keinen einzigen Studenten im Stadtrat; und wenn’s mal eine Bürgerwerkstatt gibt, dann passiert mit den Ergebnissen dasselbe wie beim Klimaschutzkonzept: Sie landen in irgendeiner Ablage und niemand kümmert sich mehr drum. Ich bin der Überzeugung: Wenn ich die Leute mitnehmen will, muss ich es ernst meinen und solche Veranstaltungen möglichst barrierefrei gestalten. Es ist ja auch nicht so, dass es hier an Optionen mangeln würde – Stichwort digitales Zeitalter: In einer baden-württembergischen Stadt gibt es zum Beispiel seit Kurzem eine App, über die man die Bürger zu einem bestimmten Thema befragen kann und so eine Art unkompliziertes Stimmungsbarometer erhält. Und das ist nur eine von vielen Möglichkeiten, die Bürger direkter ins politische Geschehen einzubeziehen.

Lass uns das dritte Thema kurz raten: Es geht um Verkehr!

Richtig geraten! Und um es gleich vorwegzu-nehmen: Ich will für Würzburg keine Pseudoveranstaltung, sondern eine echte Verkehrswende. In diesem Fall komm ich auch um das Wort nicht herum: Wir müssen hier radikal was ändern. Würzburg liegt bei den bayerischen Großstädten auf Platz 5 von 5 in puncto Fahrradfreundlichkeit – und unsere ÖPNV-Fahrgastzahlen sind im nationalen Vergleich katastrophal. Das liegt aber nicht an den Bürgern, sondern schlicht am mangelnden politischen Willen. Auch hier lohnt mal wieder der Blick ins „Ländle“: Mein Tübinger Parteikollege Boris Palmer hat es geschafft, seit seiner Wahl zum OB die Fahrgastzahlen um ein Drittel zu steigern. Das können wir auch, wenn es statt irgendwelcher Einzelmaßnahmen ein stimmiges Gesamtkonzept gibt.

Wäre da ein kostenloser ÖPNV was für unsere Stadt?

So etwas könnte ich mir – als Anfang – zum Beispiel immer samstags für Würzburg vorstellen. Die Erfahrungen in anderen Städten zeigen auch: Wenn man sowas startet, dauert es etwa ein Vierteljahr, bis sich die Leute daran gewöhnen. Aber sobald sie auf den Geschmack gekommen sind, nutzen sie Angebote wie diese völlig selbstverständ-lich und steigen dann auch an Wochentagen vermehrt auf Bus und Straba um. Natürlich muss alles irgendwie bezahlt werden, aber grundsätzlich darf es in Zukunft nicht attraktiver sein, mit dem Auto statt mit den Öffentlichen in die City zu fahren – ganz abgesehen davon, dass die Folgekosten eines ungezügelten Individualverkehrs langfristig ohnehin erheblich höher ausfallen. Kurz gesagt: Der ÖPNV muss so gestaltet sein, dass ich als Versbacher oder Veitshöchheimerin sagen kann: Meine Garage ist mein Park & Ride-Parkplatz – und ich komme gar nicht auf die Idee, mit dem Pkw in die Stadt zu fahren. Hier landen wir wieder beim Stichwort Gesamtkonzept: Man kann sowas nicht aus dem Ärmel schütteln, aber der OB und die Kommunalpolitiker sollten – auch über irgendwelche Wahlperioden hinaus – das große Ganze im Blick haben und dementsprechend planen.

Mal ehrlich: Wenn Du in Würzburg unterwegs bist – an welcher Stelle fluchst Du am heftigsten über den Verkehr (sofern Du als Grüner überhaupt fluchst)?

Das nehm ich mir durchaus mal raus – und zwar vor allem auf der Löwenbrücke. Ich sag’s gerade heraus: Für Fahrradfahrer ist das ein Anschlag auf Leib und Leben. Da sehe ich als einzige Alternative langfristig nur eine eigene Fußgänger- und Radfahrerbrücke.

Als Vater von fünf Kindern ist Dir das Thema Wohnraumproblematik wohl nur zu gut vertraut. Was dürfen wir hier von Dir im Fall eines Wahlsieges erwarten?

Wir haben hier in Würzburg die vierthöchste Mietpreissteigerung von ganz Deutschland. Das ist ein ebenso großes wie komplexes Problem. Bestimmte Teile der Stadt können nicht bebaut werden – Stichwort Klima und Grünflächen; dementsprechend werden wir nicht drum herumkommen, Augen und Ohren nach neuen Wohnkonzepten offenzuhalten: seien es neue Wohnformen, gemeinschaftliches Bauen, Baugruppen und Co. Da braucht es wesentlich mehr Experimentierfreudigkeit und weniger konservative Regelungen wie etwa den aus meiner Sicht vollkommen überflüssigen Stellplatzzwang, der im schlimmsten Fall die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum verhindert. Trotzdem, große Versprechungen à la „In fünf Jahren haben wir das alles im Griff“ werdet Ihr von mir hier nicht hören. Dafür ist die Sachlage einfach zu komplex.

Was sicherlich vielen unserer Leser am Herzen liegt, ist das Thema Posthalle. Wie stehst Du dazu?

Ich habe einen klaren Plan mit der Situation umzugehen und eine Lösung zu finden. Auf der Prio-Liste rangiert das ganz oben. Es gibt in Würzburg eine großartige Kulturszene – und die dürfen wir unter keinen Umständen aufgeben. Zum Wohle aller Bürgerinnen und Bürger. Da müssen wir als Politik unbedingt ran, sei es in Form eines Ideenwettbewerbs oder mithilfe der Akquirierung von Fördergeldern. Ich bin überzeugt: Hier kann man viel erreichen, wenn man wirklich will, wenn der OB die Verwaltung mitnimmt und – sorry für die Phrase – gestaltet statt verwaltet.