Alle Artikel mit dem Schlagwort: Pauline Füg

Von Katzen & Mauern

oder Warum ich mal eine verrückte alte Katzenlady werde   Es war Dezember 1987. Das ist 31 Jahre her. Ich war vier. Wir wohnten im Dachboden einer Kirche in Nürnberg. Ich begriff nicht viel, außer der Tatsache, dass ich meine Oma erstmal für eine lange Zeit nicht sehen können würde. Und dass es eine Mauer gab, die nicht gut war. Ich wurde politisch erzogen, die Nachrichten gehörten bei uns zu Hause zum täglichen  Welt-Unterhaltungsprogramm. Mein Bruder wurde 1987 in Sachsen gezeugt und 1988 in Nürnberg geboren. Seinen ersten Satz sprach er 1989: „Die DDR ist aufdelöst.“ Meine Eltern stießen zu Hause an, an dem Tag, an dem die Mauer fiel. Ich bin seit über 30 Jahren westdeutsch, fränkisch und bayerisch sozialisiert. Aber: Ich spreche weder Sächsisch noch Fränkisch, weil meine Eltern wollten, dass ich überall zu Hause sein kann. Die Idee war gut, die Realität noch nicht bereit. Ich bin in den Gedanken der meisten eine „Zugereiste“. Und ich wünschte, ich könnte das Wort richtig aussprechen, um zu beweisen, dass ich keine „Zugereiste“ bin. Manchmal …

alles, was seltsam ist, ist gut. vor allem bei nachbarn.

ich schau mir nachts manchmal heimlich wohnungsanzeigen in fremden städten an und überlege mir, wie es wäre und welchen blick man von den fenstern hat und welche nachbarn man hassen würde und wen man nie mehr zurücklassen will. unter meinem zimmer ist eine sargwerkstatt. ich höre es tackern, morgens um sechs, ich weiß, da ist wieder einer gestorben oder wird es bald tun. manchmal stehe ich dann auf, brühe mir einen tee und blicke in den frühen würzburger morgen. Die jahreszeiten verändern das licht. im winter kann ich die festung durch die äste ahnen. im sommer ist alles dunkelgelb und das licht hängt auf schulterhöhe in der küche. im keller tackern sie seide an holz, leinen an eiche. im frühling begrüßen wir uns im innenhof, der bestatter und ich. ich bringe müll raus, er raucht und erzählt davon, dass er die farbe meiner katze mag. weil sie wie ein pfarrer aussieht mit dem schwarzen fell und dem weißen fleck auf der brust. er erzählt von der seltsamkeit seines berufs. ich würde mich gerne von ihm …