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Is it right or is ist wrong? Wie trifft man die die richtige Entscheidung?

Münzen werfen, Entscheidungskugeln oder gar Glaskugeln befragen, bei Radio Gongs Tarot Lady anrufen, aufs Bauchgefühl hören oder ganz rational eine Liste schreiben – es gibt viele Möglichkeiten, Entscheidungen zu treffen. Wir fragen einen, der es wissen muss: Diplompsychologe Lorenz Wohanka über die Qual der Wahl, Fehlentscheidungen und Co.

Herr Wohanka, was ist sinnvoller: Aufs Bauchgefühl hören oder vernünftig und in Ruhe abwägen?  Es gibt Menschen, die sowohl das eine als auch das andere als absolut sinnvolle Quelle ihrer Entscheidungen anführen. Denn: Bauchgefühl und Darüber-Nachdenken sind letztlich zwei zusammengehörende Pole desselben Vorgangs. Das Bauchgefühl speist sich aus vergangenen Erfahrungen und erworbenem Wissen. Damit kann es eine zeitverkürzende Entscheidungshilfe sein. Gerade bei Menschen, die Experten auf ihrem jeweiligen Wissensgebiet sind, lässt sich diese Form von Expertise heranziehen. Das bedeutet: Jeder Mensch ist – je nach Ausbildung und Übung – in bestimmten Wissens- und Fähigkeitsgebieten dazu in der Lage, mithilfe des Bauchgefühls sehr gute Entscheidungen zu treffen. Wenn dem Bauchgefühl jedoch die Basis fehlt, auf dem es sich „vernünftig“ und mit echter Expertise entwickelt hat, dann wird es schwer.

Was kann helfen, wenn man sich partout nicht entscheiden kann? Eine rein bilanzierende Betrachtung: Überwiegen die positiven Seiten oder Chancen gegenüber den Risiken? Also, raus mit einem Zettel und alle Beiträge, die ich rational und aus dem Gefühl heraus habe, notieren und nach Vor- und Nachteilen sortieren. Dann von einem gewählten Advocatus-Diaboli die Argumente gegen mich prüfen lassen und am Schluss eine Entscheidung fällen. Das Gespräch mit einem Menschen, der meine Argumente hinterfragt und liebevoll prüft, hilft oft sehr. Im Gesprächsprozess, also dann, wenn Menschen ihre Argumente darstellen, klärt sich bei ihnen oft selbst sehr viel im Sinne einer Entscheidung.

Was kann man tun, wenn einem Entscheidungen Angst oder gar Panik machen? Menschen können beispielsweise mithilfe eines Psychologen, der sich ja mit dem menschlichen Erleben und Verhalten professionell auseinandersetzt, erlernen, dass Angst ein Faktor ist, den man kalkulieren und überwinden kann. Wenn es wirklich ein solches Ausmaß annimmt, dass daraus körperliche und damit seelische Beschwerden entstehen, hilft ärztliche oder psychologische Psychotherapie.

Konkretes Beispiel 1: Ein Bachelorabsolvent überlegt, ob er einen Master draufsetzen soll oder direkt in den Beruf startet. Ob der Master in seinem Berufsfeld wirklich Vorteile bringt, ist nicht sicher. Es könnte bei der ein oder anderen Stelle von Vorteil sein, bedeutet aber auch nochmal, zwei Jahre Geld ins Studium zu investieren. Was kann bei einer solchen Entscheidung helfen? Die oben genannte Listentechnik hilft bereits. Dann kommt zusätzlich ins Spiel, dass sich das Leben nicht vollständig kalkulieren lässt: Wir können nicht zu 100 Prozent wissen, ob eine Entscheidung richtig ist. Wir können eine Entscheidung treffen und mit ihr und ihren Konsequenzen umgehen. Außerdem ermöglichen Entscheidungen wiederum neue Entscheidungen. Letztlich ist es wichtig, eine Wahl relativ zügig zu treffen und dann alle Energie in die Umsetzung der Folgen zu stecken. Außerdem bedeutet Entscheidungen treffen nicht, alles richtig zu machen, sondern neue Ausgangsmarken zu setzen, die wiederum neue Entscheidungen ermöglichen.

Konkretes Beispiel 2: Eine junge Frau überlegt, für einen Job in eine neue Stadt zu ziehen. Eigentlich sind ihre Freunde, die sie zurücklässt, das Wichtigste im Leben. Wie lässt sich ein solcher Zwiespalt überwinden? Nur durch die Bereitschaft, die Konsequenzen aus seiner Entscheidung zu tragen. Sie kann jederzeit neue Entscheidungen treffen, wird jedoch erst in diese Lage kommen, wenn sie sich entschieden hat. Auch eine vermeintliche „Nicht-Entscheidung“ ist ja eine Entscheidung: Alles bleibt wie es ist, auch darauf reagiert das Leben.

Gibt es falsche und richtige Entscheidungen? Nein. Es gibt Entscheidungen, die man im Lichte neuer Erkenntnisse aktuell anders treffen würde, als man sie getroffen hat. Exakt hier liegt auch schon das Problem: Retrospektiv urteilen Menschen auf Basis von Erkenntnissen, die sie nicht hatten, als die eigentliche Entscheidung zu treffen war. Daraus kann man eine Regel ableiten: Sieh nach vorn, nicht zurück. Nimm Erfahrungen mit – denn erst sie ermöglichen andere und neue Entscheidungen im Hier und Heute.

Was tun, wenn man eine getroffene Entscheidung im Nachhinein bereut? Dann gibt es einfach neue Informationen im Lichte des Hier und Jetzt. Auf deren Grundlage treffe ich eine neue Entscheidung, gehe den nächsten Schritt.

Warum fallen uns Entscheidungen heute scheinbar schwerer als noch unseren Eltern oder Großeltern? Wir haben wahrscheinlich zu viele Entscheidungsmöglichkeiten und -Vorbilder. Wir kennen dieses Problem aus dem Supermarkt: Wenn ich 30 Joghurt-Sorten vor mir habe, erscheint die Wahl der richtigen Sorte fast als Qual, wie es das Sprichwort schon formuliert. Im Discount-Prinzip bin ich dieser Wahl enthoben. Unsere Eltern und Großeltern hatten eine deutlich eingeschränktere Freiheit und geringere Wahlmöglichkeiten als wir heute. Viele Entscheidungen waren abgenommen oder durch Lebensumstände diktiert. Der Freiheitsbegriff, mit welchem die Generation Y und die ihr folgenden Generationen aufgewachsen sind, ist ein neuer und umfassend wie nie. Angesichts dieser Wahlmöglichkeiten ist eine logische Folge, dass die Mechanismen, welche im Hirn für Entscheidungen verantwortlich sind, in ganz andere Weise gefordert werden als früher.

Ist es überhaupt so wichtig, Entscheidungen zu treffen? Könnte man nicht einfach im Status quo verharren und den Zufall entscheiden lassen? Ja – und zugleich ist auch das eine Entscheidung… Ihr seht, letztlich kann man der Frage nicht entkommen. Am besten ist es, bewusst Entscheidungen zu treffen, dabei zu lernen und vor allem zu erleben, dass genau das Ängste überwindet und durch eine Wahrnehmung von sogenannter Selbstwirksamkeit belohnt wird. Wer vermeintlich den Zufall entscheiden lässt, beraubt sich dessen und erlebt sich passiv. Also, legt los mit dem Leben und seht, was ihr wie entscheiden könnt!                                 Interview: Johanna Juni