Autor: Thomas Brandt

Alle Psycho, oder was?

In unserer schönen Stadt tummeln sich bekanntlich jede Menge Studenten. Doch längst ist bei den hippen jungen Erwachsenen nicht immer alles eitel Sonnenschein, weiß Saida Thenhart. Sie befasst sich beruflich mit den psychischen Problemlagen der Generation Y – und stand LIEBE NACHBARN im Interview Rede und Antwort.   Saida, bei Deiner Arbeit als Heilpraktikerin für Psychotherapie befasst Du Dich intensiv mit der Generation Y. Mal grundsätzlich: Wer fällt eigentlich genau in diese Gruppe? Die Generation Y, Why oder auch Ypsiloner, Digital Natives und inzwischen auch die Boomerangs sind in Deutschland grundsätzlich alle jungen Erwachsenen, die von 1980 bis 1995 geboren wurden, allerdings verschwimmen die Grenzen natürlich nach oben und unten hin etwas. Warum hast Du Dich entschlossen, mit Deiner Arbeit gerade diese Generation in den Fokus zu nehmen? Die Statistiken zeigen, dass die 12-monatige Erkrankungsprävalenz, also die Häufigkeit der Er-krankungen, gerade bei dieser Altersgruppe in Deutschland am höchsten ist. Da ich selbst Jahrgang 1985 bin und weiß, wie das Leben für uns sein kann, war es nur logisch, auch dort mit meiner therapeutischen Unterstützung anzusetzen. …

I don´t care as long as I sing

Wie ich einst auszog, um meine Musiklehrerin Lügen zu strafen (und dabei zufälligerweise ziemlich viel Bier zu trinken).   „Ihr müsst an der Stelle eine kleine Terz einfädeln, sonst klingt das schepps“, erklärt der Typ in der Mitte. Klar, die kleine Terz einfädeln, hätt ich auch selbst drauf kommen können. Ist das dann so ähnlich wie der Schirm, der beim Solo von Pink Floyd’s Comfortably Numb in uns aufgehen soll? Oder oktavieren wir das lieber entsprechend? Wie auch immer: Ich versteh nur Bahnhof, nehm einen kräftigen Zug (haha) aus der Bierflasche – und hol ganz tief Luft … IT´S TIMES LIKE THESE … Es sind Momente wie diese, in denen ich mich immer wieder frage, was zum Geier ich hier mache: Mitten unter der Woche, mitten in der Stadt in einem leicht muffigen Keller entdecke ich – mitten in meinen Dreißigern – plötzlich, dass es ganz schön viel Laune macht, sich mitten unter der Woche mitten in der Stadt in einem leicht muffigen Keller mit ehemals wildfremden Leuten zu treffen, um sich gemeinsam die Seele …

Heiligs Blechle

Ein grüner Oberbürgermeister – haben da nicht die Schwaben das Patent drauf? Mal sehen! Denn mit dem 43-jährigen Martin Heilig steht in Würzburg schon der nächste Grünen-Kandidat für das höchste Verwaltungsamt der Stadt in den Startlöchern. Wichtigstes Wahlkampfthema: natürlich die Würzburger Blechlawinen – und wie man sie möglichst effektiv loswird. Herr Heilig, … Martin bitte. Alles klar, Martin: Die Grünen befinden sich ja zurzeit auf einem – natürlich CO2-freien – Höhenflug. Bei der Europawahl im Juni war Deine Partei mit über 31 Prozent stärkste Kraft in Würzburg und die Landtagswahl 2018 hat Euch mal eben ein DirektMANDAT beschert. Ist die Zeit in Würzburg also reif für einen grünen ob? Da muss ich erstmal ein bisschen auf die Bremse treten. Kommunalwahlen sind schon noch eine ganz andere Sache als Landtags- oder Europawahlen; aber natürlich können wir nach den letzten Ergebnissen schon ziemlich optimistisch sein, dass das nächstes Jahr klappen könnte. Unterm Strich halte ich es aber wie mein Parteikollege Winfried Kretschmann: Man muss auf dem Teppich bleiben, auch wenn er fliegt. Direkt gefragt: Was macht der …

Tödlich langweilig oder zum Sterben gut?

Über das Für und Wider des Fernsehkrimis streiten unsere Autoren Thomas Brandt und Christian Götz Warum wir keine Krimis im Fernsehen brauchen; ein polemisch-philosophischer Debattenbeitrag. Ein alter Kommissar blickt auf das Meer. Alles ist grau. Das Meer. Der Himmel. Der alte Kommissar. Ich schalte um. Ein etwas jüngerer Kommissar untersucht eine Leiche. Oder das, was davon übrig ist. Der Mörder hat sein Opfer mit Trüffelöl eingerieben und es von Wildschweinen zerfressen lassen. Ich breche kurz in meinen bereitgestellten Eimer – und schalte wieder um. Ein glatzköpfiger Kommissar mit gezwirbeltem Schnauzbart fragt einen Verdächtigen, wo dieser zur fraglichen Taaatzzzz … ich bin eingeschlafen, habe es aber währenddessen noch geschafft, umzuschalten. Ein depressiver Kommissar fährt auf einem Kahn durch den Spreewald. „Ah, das ist der tolle Spreewaldkrimi, von dem mein Bekannter mir ständig erzählt, der muss ziemlich spannend sein.“ Ich schlafe wieder ein und träume von Gurken. Als sich meine müden Augen wieder öffnen, ermittelt eine weibliche Kommissarin in einer Sache, in der es um VergewaltigungswirtschaftserbfolgeeifersuchtterrorismuswerhatmeinSchokopuddinggegessen geht. Ich hole mir einen Schokopudding aus dem Kühlschrank, rühre ein …

Es ist ein Heimatlied

Heimat ist ein ziemlich schönes Wort – und leider zugleich ein ziemlich furchtbares.  Populistisch aufgeladen UND vielfach miss-braucht, fällt es schwer, diesen Begriff heute vollkommen wertfrei zu verwenden. Heimat besitzt (nicht erst in unserer Zeit) eine zutiefst politische Bedeutung. Auf der Suche nach einer Definition ist aber vielleicht gerade die zweite Dimension von Heimat entscheidend: nämlich die persönliche. Heimat, das ist für mich der Ort, an dem ich geboren und aufgewachsen bin. Gute 40 Kilometer entfernt von Würzburg, im nördlichen Baden-Württemberg. Eine Kleinstadt, 3.500 Einwohner, zwei Tankstellen, ein Discounter, Metzger, Grundschule, Dorfdoktor, die obligatorische, natürlich erfolglose Bürgerinitiative, die seit gefühlten 150 Jahren für eine Umgehungsstraße kämpft – alles in allem also nichts Besonders. Aber eben – im Gegensatz zu Würzburg, wo ich seit über zehn Jahren lebe – meine Heimat. Wenn ich an meinen Heimatort denke, dann denke ich zuerst an die Fleischküchle meiner Mutter. Natürlich die besten der Welt. Ich denke an einen Samstagmorgen, an dem aus unserer Küche der Geruch von angebratenem Fleisch in mein Zimmer steigt, und an die Geräusche, die einen …

Keine Nachbarn

Würzburg im Frühling. Es ist einer dieser besonderen Samstage inmitten unserer schönen, lebendigen Main-Metropole: Ich ruhe friedlich auf meiner Wohnzimmercouch, durch das gekippte Fenster dringt die Klangkulisse der Stadt an mein Ohr – und wie ich da so sitze und lausche, denke ich mir: Wenn man sich mal die Fakten ansieht … dann haben Schafe gegenüber Menschen eine ganze Reihe handfester Vorteile!  

MY BIG FAT ITALIAN WEDDING

Ein Leben ohne Pasta? Möglich, aber sinnlos. Dazu trinke ich am liebsten staubtrockenen italienischen Rotwein, mit dem man aufgrund seiner teerartigen Konsistenz auch so manche kampanische Schlaglochpiste flicken könnte, bestelle in der besten Caffè-Bar Würzburgs am Grafeneckart zwei CappucchinI – und amüsiere mich derweil über die zutiefst deutsche Anstehkultur der anderen Gäste, die sich brav in einer Reihe vor der Kasse platzieren, anstatt einfach lässig an der vollkommen leeren Bartheke links auf ihr Heißgetränk zu warten. Und – wer hat’s gemerkt? Natürlich schreibe ich „Caffè“, weil ich weiß, das man das in Italien nunmal so schreibt. Insofern: absolut schuldig im Sinne der Anklage – ja, ich bin italophil, vom Scheitel bis zur Stiefel-Sohle (mio!). Warum dieses faszinierende Fleckchen Erde seit Jahrhunderten eine derartige Anziehungskraft auf uns auch emotional gelegentlich so frostgebeutelte Nordmänner und -frauen ausübt – darüber haben sich klügere Menschen als ich bereits den Kopf zerbrochen.  Natürlich ohne eine veritable Antwort zu finden. Vermutlich macht genau das den ungeheuren Reiz Italiens aus. Es ist irgendwie … unfassbar. Unfassbar schön, unfassbar charmant, kurios, absurd, ja, …

THE HUNGER GAMES

Mag ja sein, dass sich im Zuge des grassierenden Optimierungswahns der ein oder andere zur Mittagszeit mit Haferflocken und Chiasamen am Arbeitsplatz begnügt. Ein Grund mehr für die Liebe Nachbarn Redaktion, sie nicht bei der Verlängerung ihrer „Deadline“ (haha) zu stören und sich auf die Suche nach ebenso günstigen wie gemütlichen Essensmöglichkeiten zu machen. Günstig und gemütlich – bleibt wohl nur der Gang ins Wirtshaus? Denkste! In öffentlich zugänglichen Kantinen kann man sitzen, preiswert essen – und wird nicht schief angeguckt, wenn man mal aufs Getränk verzichtet. Jetzt muss es nur noch munden. Liebe Nachbarn hat in drei Würzburger Kantinen neigschmeckt. Hinweis: Wir sind keine ausgewiesenen Feinschmecker, sondern nur hungrige Büromenschen – vom Pragmatiker bis zum Gesundheitsapostel, vom Satt-und-Glücklich-Verfechter bis zum Fast-Food-Verächter. Durchschnitt halt 😉 Telekom-Kantine (Sodexo) in der Schürerstraße  Was gab’s? Putenbrust im Cornflakesmantel mit Wedges und buntem Gemüse. Wie lang hat’s gedauert? Das gleich generell zu allen getesteten Kantinen: Wartezeiten gab‘s – dank Selbstbedienung und reichlich Vorräten – nirgends. Einzige Ausnahme ist die hier besprochene Telekom-Kantine am Mittwoch um 12 Uhr. Da gibt’s …

Capoeira – Die Muskelkater Flatrate

Für zwei Minuten denke ich nichts, gar nichts. Meine Bewegungen folgen nur meinen Reflexen. Ich spüre nicht das Zittern meiner Muskeln, nicht den Schweiß auf meiner Stirn, nicht den harten Boden unter meinen nackten Füßen. Beinahe alles um mich herum versinkt; die Gesichter der Menschen ziehen pfeilschnell vorbei, einzig ihr Gesang, die Musik und der Rhythmus strömen durch meinen Körper und Geist. Es gibt nur mich, mein Gegenüber und den Augenblick. Es gibt nur Capoeira. Capoeira ist Geschichte Zwei Minuten. Dann streckt er seine Hand aus, ich reiche ihm meine und wir verabschieden uns, kehren beide zurück in die Realität, es war ein gutes Spiel, schnell und vor allem präzise, das ist Capoeira. Nüchtern betrachtet und laut Definition eines bekannten Internetlexikons ist Capoeira ein „brasilianischer Kampftanz“. Emotional betrachtet ist Capeira das, was in den ersten Zeilen dieses Textes beschrieben wird. Einzigartig, voller Adrenalin – in erster Linie natürlich für die „Capoeiristas“, die sich in der „Roda“ (dem Kreis) gegenüberstehen und in einer Art Dialog abwechselnd Angriffs- und Verteidigungstechniken austauschen, ohne sich dabei jedoch ernsthaft zu …