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Dettelbach & Muskatzinen

Lecker Geschichte: In Dettelbach steht Frankens älteste Konditorei – seit satten
330 Jahren kreiert, backt, verziert und dekoriert man im Café Kehl fleißig allerhand Köstlichkeiten. Dabei entstanden auch die berühmten und weltweit einzigartigen
„Muskatzinen“. Höchste Zeit also für einen Blick in die Backstube!

Es war einmal, vor langer Zeit in einer nicht allzu weit entfernten Ortschaft: Im Jahre 1686 – also vor rund 330 Jahren – nimmt eine Konditorei in Dettelbach den Betrieb auf und kreiert im Laufe der Zeit eine fränkische Gebäckspezialität, die bis heute weltweit ihresgleichen sucht. Damals vermochte wohl niemand zu ahnen, dass es diese Köstlichkeit auch 2016 noch geben könnte. Die Rede ist – natürlich – von den berühmten Muskatzinen und dem Ort ihrer Erfindung: dem Café Kehl in Dettelbach, Frankens traditionellster Konditorei, betrieben von der Familie Dauenhauer. Sie kümmert sich auch um die Weinstube samt Restaurant, welche in dem 1540 erbauten historischen Fachwerkhaus untergebracht ist. Doch zurück zu den Muskatzinen: Erfunden hat sie einst Urban Degen, ein echter Meister aus der Zunft der Zuckerbäcker. Von diesen gab es damals in Dettelbach relativ viele – denn gerade die Backkunst brachte als vornehmster Zweig des handwerklichen Gewerbes gute Umsätze und sicherte so ein entsprechendes Auskommen. Spätestens seit Beginn der Wallfahrt zum Marienbild 1505 erblühte das Handwerk, seitdem gehören die sogenannten Wachszieher und Lebküchner in Dettelbach zum Ortsbild.

Oskar Dauenhauer in der Backstub0002

Krawatten, Katerstimmung oder die Hand Gottes?
Für sein neues Konfekt kam Degen damals auf eine geniale Idee: Er schnitzte die Backformen nach dem Muster gefalteter Krawatten, die er selbst gern zu tragen pflegte. Um die Zutaten des Teiges und dessen Zusammensetzung machte der Zuckerbäcker aber vom ersten Tag an ein großes Geheimnis. Verraten wurde nur, was man ohnehin am Geschmack erkennt – offensichtlich spielt Muskat als Zutat eine entscheidende Rolle. Schon binnen kurzer Zeit wurden Degens Kreationen, die er liebevoll „Muskatzinen“ taufte, bis weit über die Grenzen des Mainlandes hinaus bekannt. Kein Wunder, im Vergleich zum „altbackenen“ Zuckerwerk war vor allem die Form auf den ersten Blick recht ungewöhnlich, spätestens nach dem ersten Bissen schmeckten die süßen Versuchungen aber umso leckerer! Wie bei so vielen Geheimrezepten ranken sich auch um die genaue Entstehung der Muskatzinen zahlreiche Legenden. Eine davon besagt etwa, dass zur Entstehungszeit ein Ritter aus dem Morgenland in Dettelbach weilte. Er verbreitete dort die Kunde, dass Muskat gut gegen die Folgen exzessiven Weingenusses helfe.

Diese Idee soll Urban Degen begeistert aufgegriffen haben, nachdem die Franken sich bekanntermaßen auch gerne einmal den einen oder anderen Schluck Rebensaft (zu viel) genehmigen. Aus den darauffolgenden Versuchen in der Backstube seien irgendwann schließlich die Muskatzinen hervorgegangen. Eine andere Erzählung deutet die Entstehung der Leckereien gar als göttliche Fügung. Urban Degen soll im Traum eine Erleuchtung durch die Hand Gottes erlebt haben. Außerdem ist überliefert, dass sogar der bayerische König von den Dettelbacher Leckereien äußerst angetan war. Daraufhin sprach er Urban Degen das alleinige Herstellungsrecht zu.

Das Vermächtnis des Urban Degen Ganz gleich, was hinter den Muskatzinen steckt – fest steht: Ihr Erfinder ist durch sie berühmt geworden. Und weil er das Geheimnis seiner Rezeptur nicht mit ins Grab nehmen wollte, weihte Degen vor seinem Tod einige ortsansässige Kollegen in das Muskatzinen-Mysterium ein. Im Gegenzug nahm er ihnen ein Versprechen ab: Das Rezept sollte als Original in Dettelbach verbleiben und nur einheimische Zuckerbäcker etwas angehen. Dieses Versprechen wurde strikt eingehalten. Das Patentrecht hält aktuell die Café-Kehl-Betreiberfamilie Dauenhauer. So kommt es, dass die Muskatzinen bis heute eine echte Dettelbacher Spezialität sind. Keiner sonst auf der Welt schafft es, diese Köstlichkeit originalgetreu zu backen. Kurz gesagt: Die Dettelbacher Muskatzinen sind einfach königlich! Oder doch himmlisch?

Text: Inka Sörries; Fotos: Familie Dauenhauer