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Heute hier, morgen fort

Einfach mal ein halbes Jahr mit der Wanderuni durchs Land ziehen Ich muss mal raus … einfach mal an die frische Luft, dem Trott entflieh’n … ’nen klaren Kopf bekommen und niemanden sehn’: Alles Sätze, die Manoel Eisenbacher so definitiv nie gesagt hat. Als der heute 28-Jährige 2016 das erste Mal von der Wanderuni hörte, verspürte er vielmehr latente Beklemmung als den nach Freiheit dürstenden Impuls der Stadtflucht. Im Gegenteil: Die Idee, ein knappes halbes Jahr in deutschen Landen unterwegs zu sein, ohne einen festen Tagesablauf geschweige denn einen festen Schlafplatz, hätte dem gelernten Winzer und Fotografen nicht mehr Unwohlsein bereiten können, wie er uns erzählt. „Tatsächlich bin ich eher ein strukturierter Typ und brauche immer eine gewisse Vorhersehbarkeit, um mich safe zu fühlen.“ Rückblickend lässt sich daher nicht mehr sagen, welcher Teufel Manoel geritten haben muss, zwei Jahre später seine Komfortzone im beschaulichen Würzburg zu verlassen … Neugierde könnte es gewesen sein, die ihn zum ersten Infotreffen der Wanderuni im November 2017 trieb, oder – und das ist wahrscheinlicher – die ansteckende Begeisterung einer …

Keine Nachbarn

Würzburg im Frühling. Es ist einer dieser besonderen Samstage inmitten unserer schönen, lebendigen Main-Metropole: Ich ruhe friedlich auf meiner Wohnzimmercouch, durch das gekippte Fenster dringt die Klangkulisse der Stadt an mein Ohr – und wie ich da so sitze und lausche, denke ich mir: Wenn man sich mal die Fakten ansieht … dann haben Schafe gegenüber Menschen eine ganze Reihe handfester Vorteile!  

Wenn der Berch ruft

Nicola Thomas, auch Nicki genannt, hat es von Würzburg nach Erlangen gezogen. Wegen des Studiums natürlich. Was sie genau macht, und vor allem warum, erzählt sie Euch nachfolgend selbst … Würzburg, meine Heimat, meine Liebe und der Mittelpunkt meines Bachelorstudiums in Philosophie, Religion und Germanistik. Nach einer kurzen Panik, mein Herr Papa könnte Recht haben – und ich mit diesen „brotlosen Künsten“ auf der Straße landen, entschied ich mich: Das kann noch nicht alles sein, ein Master muss her. Am besten mit Praxisbezug, aber trotzdem mit Muse für mein geisteswissenschaftliches Gemüt. Und bitte nicht zu weit weg von Main, Wein und Freunden. Und ohne Mathe. So lockten sie mich von Würzburg weg nach Erlangen – schöne Stadt, ein Mango-Laden, Bergkirchweih, Bier – zum Master Medien-Ethik-Religion. „Irgendwas mit Medien“ also. Nun im Ernst. Nach wie vor werde ich schräg angeschaut, wenn ich sage, was ich studiere. Keiner kann sich etwas darunter vorstellen, doch eigentlich betrifft es uns alle jeden Tag, jede Stunde und auch gerade jetzt in diesem Moment. Nicht nur „irgendwas mit Medien“ TV, Netflix …

SAVE THE UNITED STATES

Ich beneide meine Tante aus Würzburg ja nicht gerade um vieles. Vor allem nicht um meinen Onkel. Doch als sie mir kürzlich erzählte, dass sie 1963 per Transatlantikdampfer nach Amerika übersetzte, war neben meiner aufrichtigen Missgunst auch mein Interesse geweckt. Insbesondere, da es sich dabei nicht um irgendeinen Kutter handelte, sondern um das bis heute schnellste Passagierschiff der Welt: die SS United States. Heute verrostet Amerikas einstiges Flaggschiff in einem Hafenbecken in Philadelphia – und hat dabei überraschend viel mit seinem Namensgeber gemein … Der frisch sanierte Häuserblock wirkt leicht deplatziert inmitten des verwahrlosten Straßenzugs. „They call it Promise Zones“, klärt mich der Taxifahrer auf. Zu einem dieser bislang fünf „Hoffnungsviertel“ der USA hat Präsident Obama jüngst Teile Philadelphias erklärt. In Hemdsärmeln. Mit gezielten Steuererleichterungen sollen Unternehmen in besonders strukturschwache Gegenden gelockt und Wohnungen mittels weitgehend unbürokratisch abrufbarer Fördergelder im Schnelldurchlauf saniert werden. Die Mieter zahlen nur soviel sie können – im Gegenzug übernehmen sie Verantwortung. Sozialer Wohnungsbau in den USA? Der Taxifahrer winkt ab. Das wäre ungefähr so, meint er, als würde man etwas …

POLARISIEREND

Der junge Mann hier ist 32 Jahre alt, hat Soziale Arbeit studiert, seine Abschlussarbeit über Sprayen und Jugendarbeit geschrieben und nennt sich selbst nur POLAR. Wir treffen ihn an der großen Brücke der Zeppelinstraße, der Hall of Fame, wie er sie liebevoll nennt. Vor uns steht ein Kerl, der so gar nichts mit Jugendlichen zu tun hat, die sich in Hinterhöfen durch schnelle Schmierereien einen Adrenalinkick verschaffen. Vielmehr erkennen wir schon die Ernsthaftigkeit seiner Berufung, als er die Maske aufsetzt und fürs Foto die Farbdose schwenkt. „Sprüher sind verrückte Charaktere“, sagt er mit einem Lächeln im Gesicht, als er die Maske wieder abnimmt. Graffiti – das ist für ihn kein x-beliebiges Hobby, sondern vielmehr Lifestyle. POLAR ist Sprayer durch und durch, von Kopf bis Fuß – ebenso wie sein kompletter Freundeskreis. Im zarten Alter von 18 hielt er zum ersten Mal eine Dose in der Hand, damals war er noch stark in der Hip-Hop- und Skaterszene verwurzelt. Heute arbeitet der 32-Jährige in Würzburg als Sozialarbeiter und bezeichnet sich selbst als Schönwettermaler, der lieber bei Plustemperaturen …