Hans-Otto Wöhrle. Er hat Guinessbuch-Rekorde aufgestellt, zweimal den Iron Man in Roth absolviert – und Kraftsport gehört zu seinem Leben wie die Luft zum Atmen: Seit den 80er Jahren ist Hans Otto Wöhrle in Würzburg als Fitnesstrainer aktiv. Einblicke in ein – im wahrsten Sinne des Wortes – bewegtes Leben.
„In meiner Jugend war nur der Stärkere, Schnellere, Wendigere der Chef“, erzählt uns Hans-Otto Wöhrle auf die Frage nach seinen frühen Erinnerungen. „Physische Tätigkeiten hatten damals immer auch etwas mit Leistung und Wettbewerb zu tun – ob das Bauarbeiten waren oder Arbeiten im Weinberg.“ Sportlich startete er, wie wohl die meisten Jungs, mit Fußball, spielte aktiv bis zur A-Jugend beim FC Randersacker. Doch schon relativ früh entwickelte Wöhrle ein ausgeprägtes Interesse fürs Gewichtestemmen. „Steine heben, mein Fahrrad mit einer Hand, solche Sachen eben“, erinnert er sich. Schnell spezialisierte er sich dann auf die Disziplin des olympischen Gewichthebens, bei der durch das sogenannte Reißen oder Stoßen eine Langhantel über den Kopf gestemmt wird. Mit 17 hatte der Würzburger dann auch seinen ersten großen sportlichen Auftritt bei einer Nachwuchsveranstaltung des ETSV-Würzburg: „17-Jähriger stößt 100 Kilo“, lautete damals die Schlagzeile. „Heute bin ich dienstältester Aerobic-Trainer der Welt, behaupte ich mal – und da es seit meinem Gewinn nie mehr so einen Wettbewerb gegeben hat, eigentlich auch immer noch amtierender Mister Würzburg”, fasst er seine sportliche Karriere amüsiert in aller Kürze zusammen.
ALLES DRAN, ALLES DRIN
Seine Biografie ist so breit gefächert, dass man sich glatt fragen könnte, wie das alles in ein Leben passt. Er hat den Matrosenbrief, war Oberfeldwebel bei der Bundeswehr, ist Radio- und Fernsehtechniker, Elektronikassistent, absolvierte Ausbildungen zum Medizinischen Fußpfleger, Masseur, Fachsportlehrer, Heilpraktiker sowie im Fachgebiet der Osteopathie. Einen „Job“ wird er aber wohl nicht so schnell vergessen: das Modeln für eine neue Zigarettenmarke. „Auf der Fitness- und Bodybuilding-Messe in Köln wurde ich damals von einer Fremden angesprochen, die mich fotografieren wollte. Um ehrlich zu sein, kam ich mir etwas veräppelt vor. Einige Wochen später erhielt ich einen Anruf, ob ich nach Hamburg kommen und an einem Fotoshooting für eine Werbekampagne teilnehmen möchte. Ich bin strikter Nichtraucher, aber es hat mich natürlich gereizt. Letztendlich war das eine tolle Erfahrung, doch Modeln ist unglaublich schwierig.“ Eine weitere Erfahrung hat er beim Theater in Würzburg gesammelt. In den 80er Jahren spielte er eine Saison lang den Ringer in Shakespeares Stück „Wie es euch gefällt“. Damals war auch ein ganz besonderer Gast unter den Zuschauern: Eine junge Dame lachte sich in der Vorstellung kaputt über seine Darbietung als Muskelprotz. Kurze Zeit später trafen sie sich in dem Fitnessstudio, das Wöhrle leitete. Und etwa ein dreiviertel Jahr später wurde sie seine Frau.
DER MARATHON-MANN
Klar, dass jemand mit solch einem Lebenslauf auch viel in der Welt herumgekommen ist. Als sportliches Karriere-Highlight nennt der Würzburger zum Beispiel den Gewinn des EG-Cup in Athen im Jahr 1981. Zwei Jahre zuvor hatte er an der Militär-WM im Teheran teilgenommen. Ein Tiefschlag in seiner Sportler-Karriere war eine Verletzung bei den Deutschen Meisterschaften 1980 in Coburg, wo man sich gleichzeitig für die Olympischen Spiele in Moskau qualifizieren konnte (die jedoch später ohnehin boykottiert wurden).
In den 80er Jahren stellte Wöhrle übrigens einige Weltrekorde auf. Am 9. Juli 1986 stemmte er zusammen mit Rainer Griebl eine gesamte Blaskapelle auf einer Beinpressmaschine – Gesamtgewicht: 1.003,9 kg. Doch es sollte nicht lange dauern, bis die beiden Kraftprotze den Weltrekord verbesserten. Ende November des gleichen Jahres stemmten sie in Würzburg in der B3-Disco, dem heutigen Labyrinth, eine Reihe hübscher Frauen – Gesamtgewicht: 1.005,4 kg. Und weil aller guten Dinge drei sind, stemmten sie drei Tage später 1.007,9 kg in Form von Bürgermeister und Gemeinderäten aus dem Landkreis Schweinfurt. Im Bankdrücken auf Zeit hielt Wöhrle einst sogar einen Guinessbuch-Weltrekord. Im Jahr 1988 stemmte der Würzburger innerhalb von 30 Minuten 934 x 51 kg, insgesamt also 47.634 kg. Eine Wahnsinns-Leistung, zumal er sich schon drei Jahre zuvor einen Eintrag im Guinessbuch der Rekorde gesichert hatte. Mit 240,8 kg Backsteinen auf dem Rücken war er in knapp vier Minuten 17 Sprossen auf einer extra angefertigten Leiter bis in die Höhe von 3,67 Meter emporgeklettert. Auch beim New York Marathon ging Hans Otto Wöhrle an den Start. Ein unglaubliches Gefühl, berichtet er. „Aber mit einem intelligenten, regelmäßigem Training schafft das prinzipiell jeder.“ Auch den Iron Man in Roth absolvierte er zweimal. „Bei jedem Training hat man den Zieleinlauf vor Augen. Der Iron Man dauert insgesamt etwa 10 Stunden und danach ist man einfach zufrieden.“ Jedoch seien Familie und Freunde von der Teilnahme überrascht gewesen, da sein Training eigentlich nicht für derartig lange Strecken ausgelegt war und er Schwimmen hasste. Doch „Bewegung ist Leben und Gesundheit“, gibt sich Wöhrle überzeugt. „Ohne Fitness und Krafttraining würde ich mich fühlen wie ein Fisch ohne Wasser. Ich trainiere immer noch täglich eine Stunde, auch an Heiligabend.“
MARKTLÜCKE FITNESS
Seit den 80er Jahren arbeitet Wöhrle als Fitnesstrainer in Würzburg. 1982 wurde ihm der Aufbau einer Fitnessanlage beim SV05 Würzburg angeboten. Nachdem er diese fünf Jahre erfolgreich geführt hatte, war im klar, dass das seine Welt ist. Die Idee zu einem eigenen Studio lag damals förmlich auf der Hand, da es in Würzburg zu dieser Zeit kaum selbstständige Studios gab. „Das war eine echte Marktlücke“, erzählt der Fitness-Pionier. Und so wurde im Jahr 1987 das City-Studio Wöhrle aus der Taufe gehoben, das er bis zum heutigen Tag morgens auf- und abends zuschließt. Obwohl er sich heute vor allem der Osteopathie widmet, ist das Fitnessstudio noch immer sein Zuhause. Eine Siebentage-Woche? Kein Problem – bei soviel Energie.
Die heutige Entwicklung der Sportszene und der Hype um Fitnessstudios bis hin zum Trend CrossFit sei aus seiner Sicht abzusehen gewesen. „In den 90ern las ich einmal eine Prognose, dass es künftig genauso viele Fitnessstudios geben würde wie Gaststätten.“ Auf die Frage, ob Würzburg aus seiner Sicht eine sportliche Stadt sei, zeigt er sich zufrieden: „In Bezug auf seine Größe ist das Sportangebot in Würzburg wirklich bemerkenswert. Es fehlt kaum eine Sportart – außer vielleicht eine große Sportstätte für überregionale Veranstaltungen.
EINE STUNDE TRAINING = ZWEI STUNDEN LEBENSZEIT
Der Kraftsport, Gewichtheben im Besonderen, scheint seit jeher mit diversen, meist negativen Klischees behaftet zu sein. Phrasen wie „Viele Muskeln und nichts dahinter“ kommentiert Wöhrle lakonisch mit den Worten: „Was kümmert’s eine Eiche, wenn sich eine Sau dran rubbelt.“ Wenn man die typischen Bodybuilder-Klischees zu spüren bekomme, was schon ab und zu geschehe, müsse man dem Gegenüber einfach das Gegenteil beweisen. Körper und Geist gehören seiner Meinung nach ohnehin fest zusammen. Ein Imageproblem sieht er daher beim Kraftsport nicht.
Apropos Image: Auf den unvermeidlichen Arnold Schwarzenegger angesprochen, entgegnet Wörhle: „Zu meiner Zeit war Schwarzenegger noch unbekannt. Um besser zu werden, hat man sich vor allem an seinen Gegnern orientiert.“ Als in den 80ern jedoch die Fitnesswelle in Gang kam, waren Muskeln plötzlich „in“. Zuvor konnte es schon mal passieren, dass die Kinder im Dallenbergbad vor ihm wegliefen, weil sie dachten, Godzilla käme auf sie zu. Doch plötzlich waren die Leute an Shows und Posen und natürlich an den starken Männern interessiert. Wie steht es da ums Thema Frauenschwarm? Wöhrle lächelt nur etwas verlegen, aber wir sind uns hier ziemlich sicher. Zum Schluss haben wir Hans-Otto Wöhrle um einen Tipp für Euch gebeten, was Sport und Motivation anbelangt. „Es ist nie zu spät – und man ist nie zu alt. Eine Stunde Training gibt zwei Stunden Lebenszeit.“
Text: Sabine Brummer
Fotos: Archiv Otto Wöhrle und Pascal Höfig