1.000 Chorproben, 160 Gottesdienste, 40 Konzerte
„Wir machen Musik bis jeder beschwingt singt“, ertönt es aus dem Probenraum. Die Mädchen des Vorchors singen ein neues Begrüßungslied. Die jungen Stimmen klingen noch ein wenig wirr, ab und zu wird das ein oder andere Wort vergessen, genuschelt, ausgelassen. Aber das macht nichts, denn genau deswegen üben die Kleinen fleißig zusammen mit der Chorleiterin Frau Horn. Schließlich wollen sie professionelle Sängerinnen werden.
Dass das jede Menge Übung, die richtige Körperhaltung und einen entspannten Kiefer erfordert, lernen sie bereits im Grundschulalter auf spielerische Art und Weise. Der Vorchor der Mädchen und Jungs ist die Grundlage für die Mädchenkantorei und die Domsingknaben. Die Kinder bilden die Basis, sie sind die Zukunft der Dommusik. Weniger verspielt, dafür ein ganzes Stück konzentrierter geht es in der Probe des Konzertchors zu. Hier probt Domkapellmeister Christian Schmid zusammen mit den Domsingknaben für bevorstehende Konzerte und Auslandsreisen. Noten und Liedtexte lesen die Chorsänger aus ihren Musikmappen. Beim Singen müssen sie auf sprachliche und individuelle Aspekte sowie auf die Artikulation achten. Die Stimmen klingen stark, laut und deutlich. Was sich für ungeschulte Ohren nach absoluter Perfektion anhört, empfindet der Domkapellmeister noch ein wenig verbesserungswürdig. „Der Kiefer muss fallen. Das ist ein tiefer Ton”, merkt er an, „Ihr seid zu hoch Freunde”. Bevor der Gesang losgeht, müssen die Kinder erst einmal ausatmen. Außerdem müssen sie die Töne noch bevor sie gesungen werden hören. „Ihr müsst die Töne im Kopf innerlich vorhören“, rät ihnen der Leiter. Es ist etwa die tausendste Chorprobe des Domkapellmeisters am Kiliansdom. Seit 2013 leitet Christian Schmid die Dommusik Würzburg. Sein Ziel: interessante Konzertprogramme durch das Zusammenspiel von Tradition und Moderne schaffen und Glaubensinhalte durch die Musik vermitteln. So leitet der 40-jährige Chordirigent den Würzburger Domchor, den Kammerchor am Würzburger Dom, die Würzburger Domsingknaben sowie das Vokalensemble. Im Interview erinnert er sich zurück an 1.000 Proben, 160 Gottesdienste und 40 Konzerte.
Wie und wann wurde Ihr Interesse für Musik geweckt? Ich komme aus einer Musikerfamilie. Meine Eltern haben daher sehr früh begonnen, meine Geschwister und mich musikalisch zu fördern. Mein Interesse für die Chorarbeit kommt sicher daher, dass ich seit frühester Kindheit selbst in einem Knabenchor gesungen habe.
Seit 2013 leiten Sie die Dommusik Würzburg. Was waren Ihre persönlichen Highlights? Das ist sehr schwer zu sagen. In meinem Beruf erlebe ich viele Highlights. Gelungene Aufführungen, schöne, entspannte, effiziente Proben, Konzertreisen und das Erleben, wie ein Ensemble auch menschlich zusammenwächst, gemeinsames Musizieren mit hervorragenden Instrumentalisten und Sängern, von denen man selber profitiert. Ein Highlight ist für mich aber auch, wenn ein Kind nach einer Probe lächelt und sagt, dass die Probe Spaß gemacht hat!
Wie viele Chorproben und Konzerte haben Sie in Würzburg geleitet? Ich leite während der Woche zwischen sechs und neun unterschiedliche Proben. Das sind dann in vier Jahren gut 1.000. Da bin ich selbst etwas erstaunt. Konzerte waren es in den letzten vier Jahren um die 40. Unsere Hauptaufgabe ist die Gottesdienstgestaltung am Dom. Da habe ich im Jahr etwa 40 zu leiten, das sind dann um die 120 Dienste.
Aus wie vielen Chören besteht die Dommusik und wie viele Personen sind beteiligt? Wir haben fünf Chöre mit unterschiedlichen Profilen am Dom. Das sind die Domsingknaben, der Domchor, der Kammerchor und das Vokalensemble sowie die
Mädchenkantorei, die unter der Leitung des Domkantors steht. Um den Nachwuchs für unsere Jugendchöre möglichst früh auszubilden, beginnen wir mit einer breiten Früherziehung und Eltern-Kind-Sing-Gruppen mit Kleinkindern ab 1,5 Jahren. Wenn man diese Gruppen dazurechnet, kommen zur Zeit über 600 Menschen zu uns in die Dommusik.
Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus und was sind Ihre Hauptaufgaben? Meine Hauptaufgabe ist die Leitung der Musik an unserer Kathedrale. Das heißt, ich trage die Verantwortung dafür, dass in jedem Gottesdienst Musik erklingt. Einer alleine kann das natürlich nicht schaffen. So ist es an großen Kathedralen üblich, dass die Musik in Orgel- und Chormusik unterteilt wird. Es gibt neben dem Domkapellmeister, der die Chöre leitet, noch einen Domorganisten, der sich um die Orgeldienste kümmert, und einen Domkantor, der den Kapellmeister in der Chorarbeit unterstützt. Ich persönlich leite vier unterschiedliche Chöre am Dom. Mein Arbeitsalltag ist sehr bunt und facettenreich. Die Proben sind meist am Nachmittag ab 16 Uhr bzw. abends. Vormittags bin ich entweder im Büro und habe die klassischen Büroaufgaben zu erledigen oder bereite meine Proben und Gottesdienste vor. Oder aber ich lese und spiele Partituren am Klavier. So erarbeite ich mir die Werke, die ich als nächstes dirigieren werde.
Was unternehmen Sie, um das Würzburger Publikum für Konzerte zu begeistern? Zum einen versuche ich, das klassische oratorische Repertoire zu bedienen, das ein Publikum traditionell anspricht. Ein Weihnachtsoratorium von Bach muss hier dabei sein – oder auch der Elias von Mendelssohn-Bartholdy. Es gehört aber ebenso zu unseren Aufgaben, unbekanntere, aber hervorragende Werke aus allen Epochen der Musikgeschichte zur Aufführung zu bringen. Der Wechsel und das Zusammenspiel von Tradition und Moderne ist kein neuer, doch ein spannender Weg, um ein interessantes Konzertprogramm auch im Dom zu erreichen.
Was ist das besondere Ihrer Aufführungen? Diese Frage sollte eigentlich unser Publikum beantworten. Mir ist wichtig, dass beim Musizieren immer Hingabe und Liebe zur Sache dabei ist. Jeder Ton hat seine Funktion und Berechtigung und muss daher reflektiert wiedergegeben werden.
Wie nervös sind Sie vor Aufführungen? Sehr – leider! Aber das gehört dazu, um die nötige Spannung und Konzentration aufzubringen. Wenn die Aufführung gelungen ist, ist es aber um so schöner, wenn die Anspannung weg ist!
Welche Eigenschaften müssen interessierte Sänger und Musiker mitbringen, um Teil der Dommusik zu werden? Gar nicht so viele, wie man denkt. Zunächst einmal Interesse an der Musik, die wir zur Aufführung bringen. Dann eine gesunde und ausbildungsfähige Stimme – und natürlich die Bereitschaft, die Chorproben zuverlässig wahrzunehmen.
Text & Interview: Meliz Kaya; Fotos: Dommusik Würzburg
Christian Schmid, Domkapellmeister
– 1977 in Stuttgart geboren
– Studium: Dirigieren, Kirchenmusik und Musikpädagogik an der
Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart
– 2007 bis 2013: Domkantor an der Domkirche St. Eberhard in Stuttgart und Leitung der Domkapelle St. Eberhard
– Seit 2013: Domkapellmeister am Würzburger Dom St. Kilian;
Leitung des Kammerchors, der Würzburger Domsingknaben und des Vokalensembles