GESELLSCHAFT

Wieso das erholsame Wochenende eine dreiste Lüge ist

FreitagNachmittag – und der Zeiger der Uhr kann sich gar nicht schnell genug bewegen. Den Rechner runterfahren, die Türe zusperren, der Letzte macht das Licht aus, hoch die Hände, Wochenende! Hoch die Hände im Sinne von „Hände hoch oder ich schieße“.

Freitagnachmittag heimgekommen, den Rucksack in die Ecke geknallt, einen Kaffee aus dem Kaffeevollautomaten gezogen, in den Sessel fallen lassen, durchgeatmet, Wochenende. „Du, könntest du mir mal kurz helfen, unten tropft’s an der Wasserleitung“ – na also, Wochenende vorbei. Die Verschraubung nachgezogen, das Gewinde verrostet und verkalkt, alles klar, tauschen wir das aus! Das System gibt’s nicht mehr? Naja, okay, „da bauen wir was“ Mist! Ist das dreiviertel Zoll? Wie, die sind jetzt aus Kunststoff? Naja, dann machen wir halt die Leitung bis hinten neu rein, hol mal Hammer und nen Meißel, da muss was von der Wand weg … Ach ja, die Teile gibt’s in Bad-Mergentheim, wenn du dann eh schonmal dort bist, die Mieterin von deinem Onkel hat angerufen, könntest du da mal vorbei schauen, die Steckdose im Keller hat keinen Strom … fast forward, plötzlich ist es Freitagnacht – und unter Entspannung hatte ich mir irgendwie etwas anderes vorgestellt.

Samstagfrüh, 6:30 Uhr, jemand stapft vor meinem Zimmer durch die Küche und macht Kaffee, dann wird der Frühstückstisch gedeckt und der Radio läuft. Ich trotte an die Tür und stecke meinen verpennten Strubbelkopf in die Küche, noch bevor ich richtig den Mund aufbekomme: „Ah gut, du bist ja auch schon wach, die Nachbarin muss heute ihre Regenrinne anschließen und hat uns gefragt, ob wir helfen. Die hat ja heut Geburtstag, das wäre echt nett!“

Wieso immer ich …

Samstagfrüh, 7 Uhr, ich sitze zu zwei Dritteln verschlafen, zu einem Sechstel verstimmt und immerhin dem restlichen Sechstel neugierig auf die etwas andere Geburtstagsfeier am Frühstückstisch und starre durch das Fenster in die Dunkelheit. Gegen Acht nimmt der Großkampftag dann seinen Lauf, sieben Stunden Gebaggere, Gesäge – und für den promovierten Physiker, der weder Bagger noch Säge bedienen kann, Geschaufele von Beton und Schutt. Zum Mittag gibt’s es lecker Kesselfleisch … Scherzhaft wurde die Schweineschnauze als „Steckdose“ bezeichnet … Ob ich gerne Steckdose probieren möchte? Lieber nicht, danke, der Tag war schon schlimm genug. Samstagabend, 21 Uhr, ich falle halbtot ins Bett und freue mich einfach nur, dass morgen Sonn- und kein Werktag ist. Sonntag werden bei uns keine Wasserleitungen verlegt, keine Stromleitungen repariert und keine Höfe aufgebaggert, einfach … nur … schlafen…

Sonntagfrüh, 1:55 Uhr, das Telefon klingelt. Ich denke nur, oh fuck, da ist etwas passiert – und renne ins Wohnzimmer, mein jüngster Bruder ist dran: „Bei der Resi hat jemand im Garten den Holzhaufen angezündet, weck mal den Vatter und kommt’s vor zum Feuerwehrgeräteschuppen, die Sirene geht eh gleich los!“ Schlafanzug raus, rein in die Klamotten, runter auf die Straße gerannt und im Hintergrund eine Rauchsäule gesehen, also ab in Richtung Feuer. Meine Brüder haben dann schon den Löschkarren hingeschleppt und Schläuche verlegt (beide in der Freiwilligen Feuerwehr) und ich bekomme eine kurze Lagebeschreibung: „Da hat irgendsoein Depp bei der Resi (93 Jahre jung) Grillanzünder auf ihren Brennholzhaufen im Garten gelegt. Wir haben schon beide Feuerlöscher von der Werkstatt draufgejagt aber das geht net aus, die Feuerwehr haben wir auch schon angerufen und ihnen gesagt, dass es net schlimm is und sie einen vorbei schicken sollen, weil wir das wahrscheinlich selber hinbekommen.“ In diesem Moment, etwa 2:10 Uhr am Sonntagfrüh, dröhnt die Sirene los. Gegen 2:15 Uhr haben meine beiden jüngeren Brüder dann das Feuer unter Kontrolle, zwei Einsatzwägen von der Feuerwehr und die Polizei sind auch noch dazugekommen. Die Stimmung ist relativ locker – immerhin war ja praktisch nix passiert, abgesehen davon, dass viele Feuerwehrler, meine Brüder inklusive, erst kurz zuvor vom Weihnachtsmarkt heimgekommen sind. Mein mittlerer Bruder, der im Schlafanzug gelöscht hatte, meinte noch zur Polizei: „Ich hätte ja den Löschkarren mit dem Auto runtergezogen, aber dann wär jetzt mein Lappen weg.“
Alle lachen. Dann werden noch Spuren gesichert (es waren also die stinkenden weißen Grillanzünder) und alles abgesucht, ob der Täter noch irgendwo rumsteht und gafft. Auch wenn’s glimpflich ausgegangen ist, aber Brandstiftung bei einer alten Frau – definitiv uncool! Der ganze Zirkus ging dann noch bis halb vier in der Früh, ein weiteres Highlight war dann noch die betrunkene Nachbarin, die wach geworden war und uns bat, wir sollten doch aufhören, das Holz nass zu machen, weil Sie das noch zum Schüren bracht. Montagmorgen fragt mich mein Kollege, ob ich mich am Wochenende gut erholt hätte – ich verlasse kommentarlos das Büro.

              Text: Dr. rer. nat. Dipl.-Ing. Univ. Sebastian Fiedler