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Appetizer- Das grüne Themenkonzert

Nachhaltigkeit im Alltag – was können wir aktiv ändern? Welche Möglichkeiten gibt es im Raum Würzburg? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die neu gegründete „Appetizer“-Themenkonzertreihe. Häppchenweise verpackt, widmet sich jedes Konzert in einer spannenden Kombination aus Vorträgen, Diskussionen und Musikbeiträgen einem neuen Teilgebiet.   

„Übers Fahrradfahren“ – Lesung mit Musik und Regionalem.

Für das erste Themenkonzert konnte Theresa Hauff gewonnen werden, die mit ihrer Lesung „(K)ein Velodram Europa“ unter anderem bereits in Hamburg, Dresden und Leipzig begeisterte. Theresa erzählt über Gedanken und Erfahrungen ihrer ersten Fahrradreise: Wie sie dazu kam, warum es sich lohnen kann, sich für einen schmerzenden Hintern und Gegenwind im Gesicht zu entscheiden – und weshalb sie es jederzeit wieder tun würde. Auf unterhaltsame Art nimmt sie uns mit auf ihrem Gepäckträger und zeigt Bilder eines Europas, das von jedem von uns mit dem Fahrrad erreicht werden kann.
(Weitere Informationen unter: www.velodram.wordpress.com)

Ergänzt werden ihre Gedanken durch musikalische Beiträge von „Cellotta“. Zufällig aus einer Uni-Freundschaft entstanden, spielt das Würzburger Trio eigene Songs in feinfühligen Arrangements für Cello, Geige, Gitarre und dreistimmigem Gesang. In ihrem ersten Jahr konnten sie bereits die Jury des Songwriter-Contests im Theater Chambinzky von sich überzeugen und den 2. Platz beim Nachwuchspreis des Stramu-Festivals 2018 belegen.

Cellotta

Das Themenkonzert findet statt am Samstag den 13. April 2019, um 19 Uhr im Siebold-Museum Würzburg (Frankfurter Str. 87, 97082 Würzburg). Eintritt frei!

Kontakt: appetizer@posteo.de

LIEBE Mainviertel NACHBARN

„Bring Kaffeedurst mit!“, sagt Julie vom Co-Op, als wir den Termin für unser Interview vereinbaren. Krieg ich hin, denke ich. Und freue mich auf meinen kleinen Erkundungstrip durchs historische Würzburger Mainviertel, wo ich auch Eva Hergenröther in ihrer Goldschmiedewerkstatt  „IM SCHMELZTIEGEL“ treffe …

„Die Würzburger nannten ihr Meeviertel ja immer gern ihr Fischerviertel – der Überlieferung nach soll es jetzt schon über tausend Jahre her sein, dass hier im Mainviertel die Fischerzunft gegründet wurde.“ „Ach echt?“, staune ich – und bekomme wieder einmal ein schlechtes Gewissen angesichts der Wissenslücken über meine eigene Heimatstadt. Genauer gesagt über meine eigene Nachbarschaft. Ich sollte mir echt mal ein Buch darüber besorgen, überlege ich – meine spontane Lösungsstrategie für so ziemlich alles. Gleich heute im nächsten Buchladen sollte ich das machen; werde es aber vermutlich nicht tun, um ganz ehrlich zu sein. Jedenfalls nicht heute. Heute steht erst einmal Interviewen auf dem Plan – und zwar mit Eva Hergenröther und Julie Barthel, die beide 2018 ihren eigenen Laden im schönen Mainviertel eröffnet haben. „Die Fischerei hat das Mainviertel geprägt; viele Bewohner gehörten dieser Zunft an“, erzählt Eva weiter. „Daher gab es in diesem Stadtteil auch viele Fischerhäuser, von denen heute nur noch die Schiffbäuerin existiert.“ Die kenn ich immerhin, denke ich. Auch wenn ich zugegebenermaßen noch nie dort essen war, was ich aber definitiv bald tun werde. Alle schwärmen immer von den Fischgerichten dort – und angeblich soll das Lokal zu den besten Fischrestaurants Deutschlands zählen. Außerdem ist es quasi bei mir um die Ecke. Also auch ein Nachbar. Apropos um die Ecke: Als das Gespräch zufällig auf unseren Wohnort kommt, stellen Eva und ich fest, dass wir fast Haus an Haus wohnen – und das schon seit Jahren. Gesehen haben wir uns noch nie, was wir kaum glauben können. Von wegen die Welt ist ein Dorf.

Eva Hergenröther ist Goldschmiedemeisterin und Schmuckgestalterin; im Juni 2018 hat sie ihre Werkstatt Im Schmelztiegel in der Burkarderstraße eröffnet. Wunderhübsch bunte Origami-Vögel zieren das Schaufenster, sodass der Laden beim Vorbeigehen gleich auffällt. „Echt schön, die Vögelchen“, sage ich, und Eva lächelt. „Vielen Dank. Ja, die sind anscheinend ein kleiner Eyecatcher. Manchmal erzählen mir Kunden, dass sie vom Auto aus auf den Laden aufmerksam geworden sind – beim Vorbeifahren oben am Main entlang.“ Kann ich verstehen, dass man da neugierig wird. Sechs Jahre lang hat Eva Hergenröther ihre eigene Werkstatt in Margetshöchheim gehabt, seit 2013 ist sie nun schon selbstständig und in der VKU (Vereinigung Kunstschaffender Unterfrankens). Sie genießt es, ihre eigene Chefin zu sein. „Das ist immer schon ein großer Wunsch von mir gewesen – und letztlich auch meistens das Ziel, wenn man seinen Meister macht.“
Mit ihrer kleinen Familie wohnt Eva ein paar Straßen von ihrer Werkstatt entfernt und mag die Nähe zu ihrem Arbeitsplatz. „Ich finde es schön, dass meine vierjährige Tochter sozusagen in der Werkstatt mitaufwächst.“ Der alte charmante Laden in der Burkarderstraße mit seinen hohen Decken und dem Stuck an der Wand habe es ihr sofort angetan, erinnert sich die Goldschmiedin. „Was ist das Besondere an Deinem Laden?“, stelle ich die Klischeefrage aller Klischeefragen, interessiere mich aber wirklich für die Antwort. Schließlich ist eine Goldschmiedewerkstatt nicht unbedingt das, was der Ottonormalwürzburger in diesem Viertel auf Anhieb vermutet. „Das Besondere an meiner Goldschmiedewerkstatt ist, dass es hier auch Apfelsaft zu kaufen gibt“, lacht Eva, und tatsächlich fällt mein Blick auf eine Kiste Apfelsaft im Schaufenster. „Ok …?“ frage ich, nicht ganz sicher, ob sie einen Scherz macht. Meine Verwirrung bringt Eva zum Schmunzeln und sie erklärt, dass es sich dabei um eine Kooperation mit MainSchmecker handelt. Sie sei großer Fan der sogenannten regionalen und fairen Streuobst-Produkte der Main-Streuobst-Bienen eG – vor allem des naturtrüben Apfelsafts –, weshalb sie kurzerhand beschlossen habe, den Saft in ihrem Laden anzubieten. Ich muss zugeben, dass ich plötzlich auch Lust auf ein Glas davon verspüre; Sehr zu empfehlen by the way [Werbung wegen Markennennung, schreit das Instagram-Opfer in mir].
Doch zurück zu meiner Frage: Das Besondere an Im Schmelztiegel ist, dass der Besitzerin vor allem der persönliche Kundenkontakt am Herzen liegt. Einen Internetshop möchte sie nicht betreiben: „Eines der schönsten Dinge an meinem Beruf ist für mich, dass man gemeinsam mit dem Kunden etwas erarbeiten kann, was am Ende auch wirklich dem Individuum entspricht.“ Auch kleine Kurse werden angeboten, in denen man – für sich allein oder als Paar – seine eigenen Ringe schmieden kann. Gern arbeitet Eva Hergenröther auch mit Fundstücken, von denen – nebenbei erwähnt – auch schon welche ausgestellt wurden: ein paar Häuser weiter im Spitäle. Natürlich schlägt das Herz der Goldschmiedemeisterin außerdem für die Anfertigung von ausdrucksstarkem Schmuck – gern mit Geschichte, aber nicht zwingend. Sogar Recycling-Schmuck aus PVC hat Eva Hergenröther parat, verarbeitet aber selbstverständlich vor allem hochwertige Materialien (auch mal in Kombination zu Weggeworfenem) zu Unikatschmuck, der nicht einfach nur schön, sondern unverwechselbar ist. Besonders eben. „Übrigens gibt es hier auch Kinderschmuckstücke“, fällt Eva ein, als gerade ein ganzer Haufen dick eingepackter Kindergartenkinder – brav Hand in Hand vorbeistapfend – fasziniert die Vögel im Schaufenster anstarrt. „Die Straße ist nicht zuletzt durch den Kindergarten, die Grund- sowie die Musikschule viel belebter als ich dachte“, stellt sie bei der Gelegenheit fest. Am Ende unseres Gesprächs bitte ich Eva, einen typischen Arbeitstag von sich zu beschreiben: „Morgens wird der Schmuck in die Vitrinen eingeräumt, abends in den Tresor gepackt – und dazwischen entwerfe und baue ich neben Kundenanfertigungen neue Stücke, gehe auf Messen, arbeite mit Händlern zusammen – oder gebe Interviews“, grinst Eva. „Es bleibt also immer spannend“, lobe ich mich selbst und grinse zurück. „Auf jeden Fall!“

Ganz beschwingt von dem netten Gespräch mache ich mich schließlich auf den Weg zu meiner nächsten Station: dem wunderbaren Co-Op mit dem meiner Ansicht nach besten Kaffee der Stadt. Weil ich für mein Interview mit Julie zu früh dran bin, beschließe ich, nur kurz (!) bei Next Friday in der Zeller Straße vorbeizuschlendern. Seit seiner Eröffnung vor ungefähr drei Jahren zieht es mich anstatt direkt nach Hause auf wundersame Weise immer wieder mal in den schönen Concept Store. So kaufe ich mir heute meine zehntausendste Postkarte und einen Schlüsselanhänger vom kleinen Maulwurf, dem eindeutig nicht zu widerstehen war.

CO-OP: MEIN LIEBLINGSPLATZ

Jetzt aber auf zum Co-Op. Kaum öffne ich die Tür, schallt mir schon das unverwechselbare Lachen von Besitzerin Julie entgegen. Mein Lieblingsplatz an der Wand an dem kleinen Tischchen mit dem gemütlichen Sessel ist frei und ich stürze mich auf ihn. Julie, die gerade hinter ihrer Kaffeetheke steht, winkt mir freudig zu und signalisiert mir gleichzeitig mit entschuldigender Gestik und Mimik, dass sie noch beschäftigt ist. „Keine Eile“, rufe ich ihr zu und mache es mir in meinem Sessel gemütlich.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Auch auf die Gefahr hin, wie einem wahnsinnig rührseligen Rosamunde-Pilcher-Roman entsprungen zu klingen: Kaum bin ich hier, vergeht die Zeit irgendwie langsamer. Das Wetter draußen ist Grau in Grau, aber das Licht hier drin ist warm. Die Bastlampe über dem Tisch vor dem großen Fenster mit dem open/close-Schild in der Ecke wirft ihren langen Schatten durch den halben Raum. Es läuft Norah Jones und die Gäste sind entweder in Gespräche oder Bücher vertieft. Wie im Film, denke ich. Obwohl mir so auf Anhieb eigentlich gar kein konkreter Film einfällt, der mich an diese Szene erinnert … Julie kommt etwas atemlos an meinen Tisch und weckt mich aus meinen Tagträumereien. Sie hat einen Latte Macchiato für mich dabei, den ich noch nicht bestellt hatte, auf den ich mich aber seit zwei Stunden freue, denn Julie weiß, was ihre Stammgäste mögen. Und Stammgäste hat sie einige gewonnen, seit sie letztes Jahr das Co-Op eröffnet hat. Vor über 20 Jahren ist sie der Liebe wegen von den USA nach Deutschland gekommen. Seit 1996 lebt sie mit ihrem Mann und ihren Kindern in Würzburg: „Mir hat die Größe gefallen. Und es ist eine so wunderschöne Stadt.“ Seit Julie in Deutschland ist, wollte sie immer schon „etwas mit Essen aufmachen“. Sie habe auch mal beim Catering gearbeitet und während ihres Studiums eine Zeit lang im Wohnheim für die 20-köpfige Wohngemeinschaft gekocht, erinnert sie sich lächelnd zurück. Studiert hat sie in Austin (Texas), wo sie auch ihren Mann – damals ein Austauschstudent im selben Uni-Kurs – kennengelernt und sich verliebt hat. Womit wir wieder beim Thema Film wären, denke ich entzückt, und finde mich selber kitschig. Vor ein paar Jahren sind Julie und ihr Mann für zwölf Monate um die Welt gereist. „Aus diesem Reisejahr wurde eine richtige Kaffeereise – wir sind in vielen Kaffeeländern gewesen“, erzählt Julie begeistert – und die Freude an ihre Erinnerungen steht ihr ins Gesicht geschrieben. „Die Leute waren so offen und hilfsbereit; viele haben ihr Wissen rund ums Thema Kaffee mit mir geteilt. So kam zu meinem Traum, etwas mit Essen aufzumachen, der Wunsch hinzu, etwas mit Kaffee aufzumachen“, erklärt die fröhliche Amerikanerin. Ihr sei vor allem wichtig, dass die Leute einen Zugang zu Kaffee gewinnen. Dabei wolle sie niemandem etwas aufdrängen, sondern unaufdringlich informieren – ein Bewusstsein dafür schaffen, welche vielfältigen Möglichkeiten Kaffee in Sachen Genuss und Geschmack bietet. Trotz ihrer Liebe zu Spezialitätenkaffees, die im Co-Op wöchentlich wechseln und unterschiedlich aufgebrüht werden, entschied sich Julie gegen Specialty Coffee im Logo. „Man ist ja hier nicht gezwungen, außergewöhnlichen Kaffee zu trinken – natürlich gibt es auch den guten alten Filterkaffee, Cappuccino, Tee, Limonaden, Kleinigkeiten zu snacken und unterschiedliche Kuchen.“ Auf der Karte darf man sich unter anderem über „Frühstück mit allem, was der Kühlschrank hergibt“ freuen oder Peanut Butter Jelly Toast genießen. Letzterer ist übrigens Julies persönlicher Favorit auf der Karte. Völlig zu Recht, wie ich finde.

DER NAME IST PROGRAMM

Zum Namen Co-Op kam es schließlich deshalb, weil sich Cooperations durch Julies ganzes Leben ziehen. Angefangen beim Kochen in ihrem Studentenwohnheim namens German House Co-Op über die Zusammenarbeit mit verschiedenen Kleinröstereien ihres Vertrauens oder Falko aus Randersacker, dessen Espressobohnen Julie bezieht, bis hin zu der Kooperation mit ihrem Vermieter. „Die Zusammenarbeit mit meinem Vermieter vor der Eröffnung des Co-Op war eine echte Bereicherung“, berichtet Julie. „Ich bin im Vorbeigehen zufällig auf den Raum aufmerksam geworden und habe gleich die Nummer angerufen, die auf dem Schild im Fenster stand.“ Als Julie dann das erste Mal in den vier Wänden des jetzigen Co-Op stand, war die Entscheidung fast schon gefällt. „Ich hab mich in dem Raum gleich wohlgefühlt – und das war wichtig für mich. Nur so konnten wir aus ihm etwas entstehen lassen, was sich richtig anfühlt.“ Mein Blick fällt auf die Gäste am Tisch neben mir, die ihren Carot Cake runterschlingen, als gäb’s kein Morgen. „Backst du die Kuchen eigentlich immer selbst?“ frage ich. „Klar, ich will sie ja auch selbst essen“, lacht Julie. Klingt einleuchtend. Beim Mittagsmenü legt sie Wert darauf, die Kosten immer unter sechs Euro zu halten, damit es sich so viele Leute wie möglich leisten können.
Das Gericht ist vegetarisch oder vegan und es gibt immer einen Salat dazu. Auf Geschmacksverstärker verzichtet Julie bei der Zubereitung ihrer Gerichte völlig – und bei der Wahl der Gewürze beschränkt sie sich meist auf die Klassiker Curry, Chili, Salz & Pfeffer – et voilà … den Leuten schmeckt’s. Einmal meinte ein Stammgast kurz und bündig: Mach mir was zu essen und bring mir was zu trinken. „Von meinen Gästen so ein Vertrauen entgegengebracht zu bekommen, macht mich ehrlich glücklich“, sagt Julie und muss plötzlich lachen: Von zwei anderen Gästen kam sogar mal die Bestellung: Zwei Mittagessen bitte – was gibt’s eigentlich?“ Ich kann sie gut verstehen, diese Gäste.

Legendär: Julies Peanut Butter Jelly Toast! Schon schnell angebissen, bis das Foto geschossen werden konnte 😉

„Fühlst du dich wohl hier im Mainviertel?“, möchte ich am Ende unseres Gesprächs wissen. „Sehr! Es ist einfach eine tolle Nachbarschaft hier. Wenn ich Blumen kaufen möchte, gehe ich in den Blumenladen zwei Häuser weiter, Patricia vom Friseurladen links nebenan schaut auch gern mal rein, die Leute vom Döner rechts nebenan sind auch sehr nett, Eva von der Goldschmiedewerkstatt ein Stück hinter der Pizzeria und dem Sushi-Restaurant kommt auch ab und zu vorbei – hier halten alle zusammen und ich fühle mich wirklich wohl zwischen all den lieben Leuten.“ Na wenn das mal nicht wie Faust aufs Auge zum Titel des Magazins passt, dann weiß ich auch nicht. Julie, es war mir wie immer eine Freude – wir sehen uns die Tage!

Als ich eine Weile später die Tür vom Co-Op aufmache, kommt’s mir draußen gar nicht mehr so grau vor. Überlegend, ob ich noch schnell einen Friseurtermin bei Patricia ausmachen soll, stehe ich an der Ampel. Herr Toksoy von der Änderungsschneiderei gegenüber winkt mir aus seinem Laden fröhlich zu. Ich winke erfreut zurück. Liebe Nachbarn – schön, dass es Euch gibt.

Text: Lisa Dillhoff;

Fotos:  Nico Manger – Fotografie Würzburg www.nico-manger.de

Die neue DSGVO Verordnung

Der Datenschutz im Arbeitsverhältnis – wie hat der Arbeitgeber mit meinen Daten umzugehen? Am 25.5.2018 ist die EU-Datenschutzgrundverordnung (EU-DSGVO) zusammen mit dem reformierten Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) in Kraft getreten. Durch die Reform wurde auch der Beschäftigtendatenschutz erheblich gestärkt. Der nachstehende Beitrag liefert einen Überblick über die wesentlichen Rechte und Pflichten des Arbeitgebers im Umgang mit den Daten des Arbeitnehmers (Beschäftigtendatenschutz):

Darf mein Arbeitgeber Daten über mich sammeln? Wenn ja, welche? Die Verarbeitung personenbezogener (Beschäftigten-) Daten ist dem Arbeitgeber grundsätzlich verboten, wenn sie nicht ausdrücklich vom Gesetz erlaubt ist oder der Arbeitnehmer der Datenverarbeitung zugestimmt hat. Personenbezogene Daten von Beschäftigten dürfen von Gesetzes wegen für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses verarbeitet werden, soweit dies für die Begründung, Durchführung oder Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist, § 32 BDSG. Für andere Zwecke bedarf es der Einwilligung des Arbeitnehmers, wobei diese nur wirksam ist, wenn der Arbeitnehmer darauf hingewiesen wird, dass er diese jederzeit widerrufen kann.

Darf der Arbeitgeber Bewerberdaten speichern?
Die Speicherung personenbezogener Daten darf nur zweckgebunden erfolgen. Ist die Stelle einmal besetzt, besteht kein Grund mehr, die Informationen der abgelehnten Kandidaten aufzubewahren. D
a es jedoch auf der Grundlage des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) zu einer Klage von Seiten der Bewerber kommen kann, dürfen Unternehmen die Daten aufbewahren, solange sie mit Auseinandersetzungen mit nicht berücksichtigten Bewerbern rechnen müssen. Die zulässige Aufbewahrungsdauer beträgt maximal sechs Monate. Behält sich der Arbeitgeber vor, die Bewerbung für zukünftig zu besetzende Stellen aufzubewahren, bedarf dies der Zustimmung des Bewerbers. In jedem Fall ist es dem Arbeitgeber untersagt, die Daten an Dritte weiterzugeben.

Welche Fragen darf der Arbeitgeber im Bewerbungsverfahren stellen? Die Fragen nach einer bestehenden Schwangerschaft, nach dem Familienstand und dem Glauben, der politischen Überzeugung und der Herkunft sind gänzlich unzulässig.  Fragen nach einer Schwerbehinderung, vorhandenen Krankheiten, Vorstrafen und zu den Vermögensverhältnissen können zulässig sein, wenn diese sich auf die konkrete Tätigkeit auswirken.

Darf der Arbeitgeber meine Daten an Dritte
(z.B. Behörden) weitergeben oder anderweitig
veröffentlichen?
Nein! Der Arbeitgeber ist grundsätzlich ohne Einwilligung des Arbeitnehmers nicht berechtigt, personenbezogene Daten, die für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben worden sind, an Dritte weiterzuleiten. Werden die erhobenen Daten allerdings zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder zur Verfolgung von Straftaten benötigt, ist die Weitergabe an die Behörden zulässig.

Darf der Arbeitgeber meine E-Mails lesen? Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die private Nutzung des betrieblichen E-Mail-Kontos nicht gestattet, kann er den E-Mail-account einsehen – Gleiches gilt für sonstigen dienstlichen Schriftverkehr. Schwierig wird es hingegen, wenn die private Nutzung des
E-Mail-Accounts vom Arbeitgeber gestattet wurde. In diesem Fall darf der Arbeitgeber die E-Mails nur lesen, wenn er ein berechtigtes Interesse geltend machen kann, etwa wenn zu befürchten steht, dass dem Arbeitgeber durch die mangelnde Einsicht in die E-Mails ein großer Schaden droht.

Darf der Arbeitgeber meinen Arbeitsplatz über-wachen? Grundsätzlich wird zwischen der Videoüberwachung im öffentlich zugänglichen (z. B. Bahnhöfe, Kaufhäuser) und im nicht öffentlich zugänglichen Bereich (z. B. Werksgelände, Lager oder Personalräume) unterschieden.

Bei öffentlich zugänglichen Flächen und Arbeitsplätzen ist die Videoüberwachung  nur erlaubt, soweit sie zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen, zur Wahrnehmung des Hausrechts oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen. Auf die Videoüberwachung muss hingewiesen werden. Eine Videoüberwachung in Bereichen, die überwiegend der privaten Lebensgestaltung der Beschäftigten dienen (Sozialräume, Schlafräume, Toiletten etc.), ist dagegen grundsätzlich unzulässig.

Eine verdeckte Videoüberwachung ist nur in sehr eingeschränktem Umfang erlaubt: Es muss ein konkreter Verdacht hinsichtlich einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers vorliegen; weniger einschneidende Mittel müssen ausgeschöpft sein; die Videoüberwachung darf als einziges Mittel verbleiben und darf insgesamt nicht unverhältnismäßig sein.

Was passiert mit meinen Daten, wenn ich das Unternehmen verlasse? Der Arbeitgeber ist zur Löschung sämtlicher Daten verpflichtet, soweit nicht noch Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis bestehen (Zeugniserteilung, Zahlungs-ansprüche usw.) oder Spezialvorschriften Aufbewahrungspflichten vorsehen, Art 17 DSGVO. So müssen Lohn- und Gehaltsunterlagen z. B. bis zu 10 Jahre aufbewahrt werden.

Was passiert, wenn der Arbeitgeber gegen den
Datenschu
tz verstößt? Bei besonders schwerwiegenden Verstößen drohen Geldbußen von bis zu 20 Millionen EUR oder bei Unternehmen bis zu  vier Prozent des weltweiten Jahresumsatzes des vorangegangenen Geschäftsjahrs, wobei der jeweils höhere
Betrag als maximale Buße verhängt werden kann.

Die Experten von Reitmaier Rechtsanwälte beraten und vertreten auf dem Fachgebiet des Bank- und Kapitalmarktrechts, Strafrechts / Compliance, Wirtschafts- und Arbeitsrechts sowie Veranstaltungsrechts. Ein Team von sechs Anwälten berät Unternehmen sowie Privatpersonen zu rechtlichen Belangen.

Weitere Informationen findet Ihr auf der Website der Reitmaier Rechtsanwälte.
Link: https://www.reitmaier-rechtsanwaelte.de/

Liebste Nachbarn

Der Sommer ist vorbei. Die Ferien sind rum. Ausgelutscht. So schnell. Wir wollten so unendlich viel unternehmen und erleben … doch die Zeit ist erbarmungslos in unseren Fingern
weggeschmolzen und hinterlässt ein klebriges, aber schönes Gefühl an die letzten warmen Monate.

Jetzt beginnt wieder der Ernst des Lebens: Die Schule, später die Uni, im Job muss man langsam wieder E-Mails beantworten, die das Postfach überfüllen – und man hofft vergeblich auf das Urlaubsboni-Verständnis von Kollegen und Kunden.

Wir waren unterwegs in diesem heißesten Sommer ever, haben uns tief in die Nachbarschaft hineingeforscht und konnten – obwohl wir glaubten, Würzburg eigentlich schon wie unsere Westentasche zu kennen – jede Menge Neues entdecken: … in den leeren, heißen Strassen im August … im zwischen-nachbarschaftlichen Miteinander am Campingplatz Kalte Quelle … und in den Handschrift-Schatzkisten von Klaus Meixner.

In diesem Sinne: Betrachtet dieses Heft wie die Erinnerung an ein sommerliches Eis: – süß, lecker aber leider auch vergänglich – und schleckt es (inhaltlich) genüsslich aus 😉

DIE LIEBEN NACHBARN

Balance

wendy, darling,
immer wenn die flucht nach vorn
der letzte ausweg ist, um land zu gewinnen
wenn jeder wegweiser flüstert:
geh nirgendwohin, geh nimmerwohin
wenn nichts gutes ist an diesen dingen
dann hilft nur anlauf nehmen und springen

und wenn früher dein plan war,
mit peter pan fortzuziehen und jetzt deine zeitbomb
im herz lauter tickt, als die uhr in den krokodilen
dann musst du aufhören zu fragen
dann musst du anlauf nehmen und fliegen

wenn peter pan dir seine hand reicht
und sagt fass mich nicht an
niemand darf peter pan anfassen
dann musst du anlauf nehmen
und die richtung den besseren straßen anpassen

es gibt nichts das irgendetwas an irgendetwas ändert

und: wendy, du weißt es,
dort, wo kein schatten ist
da vermissen wir schmerzlich das licht,
das wir vorher immer hatten
und was später davon übrig ist
legt sich metallen und ohne farbe um deinen nacken

er ist nur verloren gegangen, denkt sie sich
my lost boy
und nimmer nimmer land in sicht
das es zu gewinnen gibt für dich, mein freund

and i know that my heart is a heavy one
it was heavy right from the start

sagt wendy – und:
zurücklassen ist immer besser als zurückgelassen
zu werden
da nimmt sie anlauf
und es knirscht als ihre füße sich zwischen boden
und tatsachen erden

immer die frage
wie man die balance halten kann
wenn das herz auf einer seite so sehr zieht
immer die frage
ob man die balance halten soll
wann das herz auf seiner seite so schwer zieht

und liebeskummer, schrieb sie mir,
ist doch auch nur eine form von heimweh
doch wo das zuhause ist, weiß ich nicht
und heimat ist der moment
in dem ich peter pan endlich weinen seh
den junge, den keiner anfasst und der niemals weint
das ist der versuch zu bleiben, wo niemand bleibt

wendy, sag ich, wendy, er wird es niemals tun
und du wirst nie glauben, dass es so ist

und wendy antwortet mir:
ich such doch nur beständigkeit
in einer welt in der mir ständig kalt ist
in der ich ständig halt vermiss
in der meine hülle nicht rissig wird
wenn ich peter pan verlier

an dieser stelle, ich wiederhole, an dieser stelle
sollte eine erinnerung sitzen
aber statt momenten im kopf
erkenne ich nichts zwischen den neuronenblitzen

wenn du fragen stellen willst
was war und auch was sein wird
sei leise, ich bitte dich,
bevor die fragen einer hört

und wendy nimmt allen mut zusammen
– der letzte gedanke an peters gesicht –
sieht aus dem fenster hinaus spricht ins leere und sagt:
peter pan, weil keiner dich berühren darf
damit du nicht zerbrichst
musst du auch mich vergessen
damit du bleibst wer du bist

denn alle kehrten eines tages zurück
nur du nicht, my lost boy
weil du sogar das zurückkehren vergisst

und wendy wächst und die zeit vergeht
und wendy lässt das fenster für peter pan offen
doch den jungen der sich nicht berühren lässt
den hat sie nie wieder getroffen

das schlimmste ist, sagt wendy zu mir,
das schlimmste ist
wenn dir niemand folgt
um dich zurückzubringen

und als sie sich umdreht, flüstert sie
gesprungen bin ich
aber es war dann wohl nichts mit dem fliegen

und eines tages
aber das weiß sie noch nicht
wird peter pan wieder kommen
doch sie ist dann nicht mehr die, die sie heute noch ist
und die erinnerungen verschwommen

wendy sagt:
das mit der balance, das üb ich nochmal
und auch das mit dem vergessen
und dann dreht sie sich um
um ihren schatten zu küssen

Text: Pauline Füg

Das Ding mit dem Weiss

Ich schau zu meinem Kumpel, deute auf den Fleck Tomatensauce auf seinem weißen T-Shirt und grinse über beide Ohren: „Oh Mann, ey, ICH HAB’S GEWUSST!“ stöhnt er und versucht sich mit Spucke und Daumennagel an der Schadensbegrenzung … erfolglos.

„Hey Ulf, ich hab ne total suuuper Idee! Lass uns doch in der Fußgängerzone, also so KOMPLETT DURCH DIE INNENSTADT, einfach mal weißen Stein verlegen!“ „Mensch Herbert, der Knaller! So mach ma des! Des sieht bestimmt dodaaal gut aus! Du, ich sag’s mal dem Chef, den Frieder kenn ich gut vom Tennis!“

Dafür, dass man sich vor der Umsetzung eines bestimmten Machwerks überlegt, welche Eigenschaften das betreffende Machwerk im Idealfall aufweisen sollte, gibt es eine Umschreibung: „Gesunder Menschenverstand“. Es scheint irgendwo bei den Städteplanern eine neue Richtlinie zu geben oder ein neues „Kompetenzbüro“ eingerichtet worden zu sein, dessen Ziel es ist, das Rad neu zu erfinden – und das, falls möglich, dreimal so teuer und halb so effizient; Willkommen im Öffentlichen Dienst. Da ich selbst im Öffentlichen Dienst tätig bin, wundert’s mich kaum, dass früher oder später ein Ulf, ein Herbert und ein Frieder beschlossen haben, die Innenstadt sähe in Weiß doch viel schicker aus – und dabei vor lauter Begeisterung glatt vergaßen, dass Fußwege in der Regel auch benutzt werden.

Ich laufe die neue weiße Fußgängerzone entlang und denke mir, Mensch, die Kaugummis auf der Straße, die sind mir früher gar nicht so aufgefallen. Durch den deutlich besseren Kontrast auf dem hellen Hintergrund ertappe ich mich dabei, dass ich noch wesentlich genauer hinsehe als sonst. Ich fange an, Muster zu suchen: „Kaugummi, Kaugummi, Kaugummi, das könnte ein verschütteter Kaffee gewesen sein, Kaugummi, Kaugummi, Senf (wohl von einer Bratwurst), Kaugummi … und das? Igitt – das war wohl vom Hund …“ Naja, wie das bei solchen glorreichen Ideen meistens der Fall ist: Wird es toll, erscheint darüber ein Artikel in der Lokalzeitung, wird es … nunja … so wie es jetzt eben ist (und zu erwarten gewesen wäre), will es keiner gewesen sein. Man könnte zumindest aus den Fehlern lernen und sagen: Hey, okay, weißer Fußboden als Straßenbelag? Ganz schlechte Idee … Doch weit gefehlt!

Nicht nur in Würzburg erstrahlt die Innenstadt (vorübergehend) in Weiß, auch in Tauberbischofsheim hat man die Idee für gut befunden und eifrig umgesetzt. Dort war am Wochenende Altstadtfest. Zur „Schonung“ des Bodens hat man um die Imbissbuden Teppiche verlegt, da ja dort prinzipiell die Gefahr am größten ist, dass gekleckert wird. Eine weitere Maßnahme  bestand darin, dass nur noch Weißwein ausgeschenkt werden darf – der Verkauf von Rotwein in der Innenstadt wurde untersagt, kein Scherz! In Würzburg müssen die Bauarbeiter auf dem Gehweg schwarzes Fließ ausbreiten, um die Steine nicht zu „beflecken“ – und man denkt sogar darüber nach, ob man die Kaugummis nicht mit einer Vereisungsmaschine und einer Spachtel entfernen könnte. Aber hey, wieso denn auch die Fußgängerwege wie früher teeren? Das war viel zu billig, man hat die Kaugummis drauf nicht gesehen – und Schäden konnten auch viel zu leicht ausgebessert werden!

Mir geht das alles nicht weit genug! Ich fordere, dass am Eingang der Fußgängerzone ein Ordnungsbeamter steht, der jedem Passanten in den Mund schaut und diese widerwärtigen Kaugummis konfisziert! Für Kaugummischmuggel verlange ich die Auferlegung von Sozialstunden, der Strafenkatalog soll sich hierbei nach Größe und Farbe des Kaugummis orientieren: einzelnes weißes Kaugummidragee: fünf Stunden; klassischer Kaugummistreifen (z. B. Wrigley Doublemint), sieben Stunden. Der Hubba-Bubba BubbleTape „new mistery flavor“ ist mit einer Sozialstunde pro Zentimeter zu vergelten! Weiterhin verlange ich das Verbot schwarzer Schuhsohlen (wie man es ja bereits vom Hallensport kennt), Personen mit dunklen Sohlen können wahlweise Barfuß durch die Innenstadt oder bekommen Leihpantoffeln ausgehändigt. Hunde und Kinder unter fünf Jahren sind an der Leine und mit Windel zu führen, das Mitbringen von Speisen und dunklen Getränken ist untersagt, Kaffee wird nur noch mit wenig Pulver und viel Milch verkauft. In Anbetracht der aktuellen Kosten halte ich diese Maßnahmen für vertretbar, ich bin Öffentlicher Dienst, ich darf das!                                                

Text: Sebastian Fiedler

Original Handschriften

„Wenn ich nachts nicht schlafen kann, wühl ich mich durch meine Dokumente.“ Klaus Meixner handelt mit Autographen – und besitzt eine beeindruckende Sammlung von mehreren tausend Schriftstücken. Wir haben ihn in seinem Archiv besucht und kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Lest selbst.

„Ob ich Interesse hab? Meinst du das ernst?“ Meine spontane Reaktion auf das Angebot, ein Interview mit einem Würzburger Handschriftensammler zu führen, lässt Nico grinsen. „Hab ich mir fast gedacht“, antwortet er. Eine Woche später machen wir uns also mit Kamera, Block und Kuli bewaffnet auf den Weg in die Friesstraße – dort befindet sich das Fachantiquariat des Autographen Klaus Meixner.

Zugegebenermaßen hab ich mich nicht gerade wahnsinnig intensiv auf das Interview vorbereitet. Ein wenig recherchiert und zur Sicherheit nochmal die Definition des Worts Autograph gegoogelt. Interviewfragen hab ich mir für den Fall der Fälle zwar notiert, war mir aber sicher, dass all meine Fragen sowieso ganz von selbst aus mir heraussprudeln würden, weil ich das Thema so spannend finde. Dementsprechend habe ich auf dem Weg zum Interview nur eine vage Ahnung, was mich erwartet – Nico geht’s genauso, verrät er mir. Wobei der nach seinem Telefonat mit Herrn Meixner schon einen ersten Eindruck von ihm gewonnen hat: „Klingt nach einem echt netten, witzigen Herren – ich freu mich auf unser Gespräch mit ihm.“ Ich auch.

Als wir klingeln, passiert erstmal eine Weile nichts. Schließlich macht sich die Sprechanlage aber doch bemerkbar und eine fröhliche Stimme meldet sich zu Wort – wir sollen einfach hochkommen, zweiter Stock. An der Wohnungstür strahlt uns Klaus Meixner entgegen und heißt uns willkommen. Offenbar ist er bester Laune. In Jeans und barfuß. Steif wird unser Aufenthalt hier also schon mal nicht ablaufen, denke ich, und freue mich direkt noch ein bisschen mehr. Nico stellt uns als Nico und Lisa vor. „Ach, sehr schön – ich bin der Klaus, so ein förmliches Getue braucht doch kein Mensch!“ Er wird mir immer sympathischer, der Klaus.

„Dort hinten ist das Archiv“, erklärt er und zeigt auf einen Raum am Ende des Gangs. Die restlichen Zimmer seien seine Wohnräume. Hab ich’s mir also nicht eingebildet, dass es hier nach Essen duftet. Im Archiv angekommen, mache ich große Augen wie ein kleines Kind. Nico zückt sofort die Kamera. Staunend schauen wir uns um und sind fasziniert von all den Schachteln, Kartons und Kisten, die sich bis unter die Decke stapeln und fast aus den Regalen platzen. „Gibt es eigentlich bestimmte Vorschriften oder Regeln, die man beim Lagern von Handschriften befolgen muss?“, frage ich vorsichtig. „Nö“, antwortet Klaus. „Hauptsache, es kommt kein Licht ran und bleibt trocken.“ Na dann. Wir setzen uns an einen großen vollgeräumten Tisch mitten im Zimmer. „Schiebt den ganzen Kram einfach beiseite“, sagt Klaus und verkündet, dass wir ihm ruhig ganz ohne Scheu unsere Fragen stellen sollen. Das sei ihm lieber, als von sich aus loszuerzählen, er sei nämlich manchmal etwas schüchtern. Dann fängt er an, von sich aus loszuerzählen und ist überhaupt nicht schüchtern. Umso besser, denke ich grinsend und schreibe fleißig mit. Begonnen hatte alles mit einer Originalhandschrift, die dem Vater von Klaus Meixner während seines Studiums in die Hände fiel. „Dieses Schriftstück faszinierte ihn sehr. Daraufhin gab’s kein Halten mehr“, sagt Klaus und lächelt. Meixner Senior war ein erfolgreicher Bauunternehmer in Würzburg, sein eigentliches Interesse galt jedoch schon immer der Kultur. Irgendwann entstand in ihm der Wunsch, sich ein zweites Standbein aufzubauen. Dass es für signierte Briefmarken, Sonderstempelkarten und andere Handschriften einen Markt gab, fand Klaus Meixners Vater besonders spannend – und so war der Grundstein für eine bald schon stetig wachsende Handschriftensammlung gelegt. 1973 meldeten seine Eltern das Geschäft an und Klaus war von Anfang an involviert.

Als später die Computer kamen, hatte er das Fachantiquariat bereit fast vollständig übernommen, das er bis heute voller Begeisterung allein weiterführt. „Läuft richtig gut“, plaudert Klaus aus dem Nähkästchen. Deutschlandweit kann man die Antiquariate, die sich ausschließlich auf Handschriften spezialisiert haben, an einer Hand abzählen. Meixners Fachantiquariat für Originalhandschriften hat sich im Laufe der Jahre einen Namen gemacht und ist eine wahre Fundgrube für Sammler aus aller Welt. Neben interessierten Privatpersonen und Journalisten umfasst die große Kundenkartei von Klaus Meixner auch Universitäts- und Staatsbibliotheken, (Literatur-)Archive und zahlreiche Institute. Ob zu Forschungszwecken oder aus Sammelleidenschaft – die Leute wenden sich immer gern an Herrn Meixner und suchen oft auch den persönlichen Kontakt. „Autographe sind Echtrealien, das Internet ist da gar nicht so spannend.“ Zwar handelt es sich bei dem Fachantiquariat um ein Versandarchiv, doch Klaus Meixner mag es, jemanden persönlich zu empfangen und sich gut zu unterhalten. „Ich liebe es, mit meinen Kunden interessante Gespräche zu führen und kenne einige meiner Stammkunden schon seit vielen Jahren.“ Besonders schön findet es der Würzburger Volkskundler, wenn er mit seinen Handschriften zur Erforschung eines bestimmten Sachverhalts beitragen kann. Kommen also Studenten, Doktoranden, Dozenten oder Professoren anlässlich ihrer wissenschaftlichen Arbeit auf den Handschriftensammler zu, lässt das sein Forscherherz höher schlagen. Am meisten Spaß macht ihm aber das eigene Forschen – echte Detektivarbeit, wie Klaus es nennt. Die schönsten Dinge nämlich gebe es nicht im Handel, sondern blieben oft lange versteckt und unbemerkt: „Wahre Schätze kann man zum Beispiel ganz klassisch auf Flohmärkten, aus Nachlässen, auf alten Dachböden oder in der berühmten Kiste des Großvaters entdecken – man muss nur etwas Glück haben.“ Dann könne einem schon mal eine Handschrift von Mozart, Schiller oder Alexander von Humboldt begegnen.

Als Autograph gilt übrigens alles, was handgeschrieben ist – originale Handschriften berühmter oder weniger berühmter Personen, Manuskripte, Dokumente, Urkunden, Briefe, Widmungsexemplare, Notizen, Postkarten, handschriftliche Erinnerungsstücke aller Art, Autogramme, Sammlungen, Nachlässe, Albumblätter, Korrespondenzen … „Und all das findet sich hier in diesen Schachteln?“, frage ich und werfe einen neugierigen Blick auf eines der vollgestopften Regale neben mir. „Ganz genau“, lacht Klaus. Er erklärt, dass es sehr wohl ein übersichtliches System gibt, nach welchem er seine Kostbarkeiten sortiert – auch wenn es auf den ersten Blick vielleicht nicht danach aussehen mag. „Was wollt ihr denn sehen? Vielleicht etwas von Adenauer? Heinz Rühmann? Wilhelm II.?“ Zielsicher zieht er eine der gefühlt tausend Schachteln aus dem Regal und zeigt uns ein altes Schriftstück mit wunderschönem Schriftzug. Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass sich mein konkretes Geschichtswissen über Wilhelm II. etwas in Grenzen hält – aber jedenfalls hatte er eine beeindruckende Unterschrift, soviel steht fest. 180 Euro müsste man hinlegen, um dieses Schriftstück zu kaufen. Geht eigentlich, denke ich. „Die Leute sind oft überrascht über die verhältnismäßig erschwinglichen Preise von Autographen“, erklärt uns Klaus Meixner. Dass man für ein Autogramm von Willy Brandt nur rund 50 Euro und für eine Postkarte mit Gruß und Unterschrift von Hermann Hesse nur um die 200 Euro zahlen muss, hätte ich tatsächlich nicht gedacht. Die niedrigsten Preise in Meixners Sortiment beginnen aktuell bei etwa 5 Euro, z.B. für eine Sonderstempelkarte von Altbundeskanzler Helmut Schmidt, und enden bei mehreren tausend Euro, beispielsweise für einen Brief von Wittgenstein oder Karl May. „Ich hatte auch mal eine signierte Graphik von Picasso; die hab ich für circa 2.000 Euro verkauft“, berichtet Klaus. Schon wieder bin ich überrascht; als Laie denke ich beim Namen Picasso gleich ganz blauäugig an Millionenbeträge.

„Sind eben keine berühmten Gemälde, um die es hier geht“, gibt Klaus schmunzelnd zu bedenken. Na gut. Aber faszinierend finde ich diese riesige Sammlung alter und neuer Originalhandschriften trotzdem. Die ältesten Schriftstücke in Meixners Archiv gehen bis ins Mittelalter zurück; die jüngsten reichen bis zur Gegenwart. Alles, was jemals in Klaus Meixners Besitz war, hat er kopiert. Nur kopiert – das muss reichen. „Man könnte alles ausufernd betreiben, aber das muss doch nicht unbedingt sein.“ Recht hat er. Obwohl die Zeit wie im Flug vergangen ist und wir eigentlich aufbrechen müssten, möchte ich unbedingt noch erfahren, ob Klaus einmal ganz besonders stolz war auf eine seiner Handschriften. Da muss er nicht lange überlegen: „Ich hatte mal einen echten Luther. Aus einem Nachlass. Das war eine ganz wunderbare Entdeckung!“ Aus Prinzip behalten würde Klaus Meixner aber keine Handschrift: „Ich habe mich entschieden, mit Autographen zu handeln – und ich freue mich über jedes Schriftstück, das durch meine Hände geht. Umso glücklicher aber macht es mich, wenn es auch andere bereichert. Schließlich sind Autographe nicht dazu da, in irgendwelchen Kartons zu verstauben.“ Herr Meixner – es war mir eine Ehre. Wenn Sie mal wieder was von Wilhelm Busch dahaben, melden Sie sich bei mir.

Wen es interessiert, was Klaus Meixner so alles anzubieten hat, oder wer beim letzten Flohmarktbesuch vielleicht sogar selbst auf eine interessante Handschrift gestoßen ist und diese auf ihre Echtheit prüfen lassen möchte – hier der Link zu Klaus Meixners Website:

www.autographen-deutschland.com

Text: Lisa Dillhoff; Fotos: Nico Manger